Velen. Die Vibrationen in der Weberei dringen durch Mark und Bein, bringen die Fußsohlen zum Kribbeln. „Daran habe ich mich schon längst gewöhnt“, winkt Abdelgani Kortak ab und beobachtet, wie an einer Luftdüsenwebmaschine aus Schuss- und Kettfaden langsam ein weißes Gewebe wird.

Der 33-Jährige arbeitet im Zentrum der Velener Textil GmbH: der Weberei. An den Hightech-Luftwebstühlen wird der Schussfaden bis zu 1.000-mal pro Minute eingetragen, um vier Meter weiter, am anderen Ende der Anlage, abrupt abgebremst zu werden.

Eine immense Belastung für die Baumwoll-, Polyester- oder Viskosegarne, aus denen das Familienunternehmen im Münsterland jährlich 12,5 Millionen Laufmeter Gewebe herstellt. „Deshalb ist bei uns hohe Qualität so wichtig. Und die hängt von jedem einzelnen Faden ab“, sagt Geschäftsführer Ernst Grimmelt.

Das robuste Gewebe hält die Rücken gebundener Bücher zusammen

Das Velener Rohgewebe ist Grundlage einer ganzen Palette technischer Textilien. Als beschichteter, textiler Träger steckt es etwa in Schleifmitteln und Antriebsriemen, wird in Berufs- und Sicherheitskleidung verarbeitet und in Medizintextilien eingesetzt. „Viele haben uns sogar im Bücherregal stehen“, schmunzelt Grimmelt und deutet auf die Webmaschine, die Textilmeister Kortak gerade neu einstellt: „Das ist im Rücken gebundener Bücher verarbeitet.“

Mit der gewebten Rohware aber endet die Arbeit des 1933 gegründeten Unternehmens noch lange nicht. „Wir packen ein Gesamtpaket. Das beginnt beim Garn und endet beim fertig ausgerüsteten Gewebe“, so Grimmelt. Dafür entwickelt der 110-Mann-Betrieb zusammen mit seinen Kunden neue Beschichtungen und Garneigenschaften und kümmert sich um die Aufmachung und die Qualitätskontrolle des Gewebes. Immer geht es darum, ein Rezept zu finden, das genau auf die vom Kunden gewünschten Eigenschaften passt – verbunden mit konstant hoher Qualität. Kein leichtes Unterfangen. Trotzdem: „Bei uns gilt die Null-Fehler-Mentalität“, versichert Grimmelt.

Nur 0,4 Prozent der Ware bestehen die kritische Kontrolle der Velener nicht und werden als zweite Wahl deklariert. Das gilt für den Gewebebereich und für die hauseigene Baumwollspinnerei, in der das Garn aus konventioneller und Biobaumwolle für Heimtextilien und Bettwäsche sowie Frottierwaren gesponnen wird.

Die penible Warenschau umfasst auch Textilien, die von Lohnausrüstern veredelt werden und dann zurückkommen. Erst nach nochmaliger Prüfung im eigenen Lager werden sie an den Kunden ausgeliefert. Es kann also sein, dass Ute Naumann Stoffe gleich zweimal unter die Lupe nimmt. Auf einem Warenschautisch suchen ihre Augen ständig nach Einschlüssen, Rissen oder Verschmutzungen.

„Manchmal ist ein doppelter Schussfaden eingewebt“, erklärt die 52-Jährige. Mit einem Picker entfernt sie den quer zur Laufrichtung liegenden Faden. Die Prozedur hinterlässt kurz Einstiche – ein Paar Spritzer Wasser, und sie sind verschwunden.

„Wenn es Probleme gibt, sollen die lieber bei uns sichtbar werden als beim Kunden“, so Geschäftsführer Grimmelt. Dann könne man früh genug gegensteuern. Textilmeister Kortak sieht das genauso. Er lässt der automatisch fahrenden Absauganlage in der Weberei jetzt den Vortritt. Der „Schnorchel“ sammelt in den Gängen störenden Staub auf. Kortak: „Der soll ja nicht auf dem Gewebe landen.“

Qualitätssicherung im Detail!