Köln. Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt revolutionieren. Das hat schon begonnen – und bis 2025 werden fast acht Millionen Beschäftigte in Deutschland von der zunehmenden Automatisierung betroffen sein. So steht es in einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting.

Etwa jeder Sechste muss demnach mit direkten Auswirkungen auf seine Arbeit rechnen. In der Fertigung ist es sogar jeder Dritte. Und da gibt es für manche ein Problem: Angst vor Buchstaben.

Umschulung und Weiterbildung werden wichtiger

Die meisten Menschen können sich ja per Weiterbildung oder auch Umschulung relativ schnell auf neue Anforderungen einstellen. Eine Gruppe hat da allerdings ganz handfeste Schwierigkeiten: Analphabeten. Denn fürs Dazulernen sind Lesen wie Schreiben unabdingbar – doch schätzungsweise 7,5 Millionen Erwachsene bis 64 Jahren in Deutschland beherrschen das nur unzureichend!

Bei ihnen spricht man von „funktionalen Analphabeten“: Sie können höchstens einzelne Sätze lesen oder schreiben, jedoch keinen zusammenhängenden langen Text verstehen. Jeder vierte der Betroffenen kann sogar höchstens einzelne Wörter langsam entziffern, Buchstabe für Buchstabe.

Wirtschaft und Politik fördern daher zahlreiche Projekte und Initiativen zum Lesen- und Schreibenlernen. „In der modernen technik- und dienstleistungsorientierten Arbeitswelt sind diese Fähigkeiten das Fundament für gesellschaftliche Teilhabe und sichere Beschäftigung“, betont etwa Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. „Die Qualifizierung von Menschen mit Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben ist ein wichtiger Beitrag zur Sicherung des Fachkräftebedarfs.“ Und besonders groß ist die Quote der Betroffenen bei Mitarbeitern mit einfachen Tätigkeiten.

Das zeigte eine schon etwas ältere Untersuchung auf: Während der Anteil der funktionalen Analphabeten an allen Erwerbsfähigen bei 14 Prozent liegt, beträgt zum Beispiel der Anteil bei Hilfskräften in der Fertigung 29 Prozent.

Schon heute stehen Analphabeten im Job vor riesigen Herausforderungen. Die Zahl an einfachen, zumeist manuellen Tätigkeiten hat abgenommen. Schriftliche Informationen aufzunehmen, zu verstehen, einzuordnen und weiterzugeben, wird immer wichtiger. Für Kollegen, die nicht richtig lesen und schreiben können, wird es also immer schwieriger, nicht aufzufallen.

Viele leben in ständiger Angst, verbergen ihr peinliches Geheimnis höchst kreativ. Aufstiegs- oder auch Weiterbildungsangebote werden mit Ausreden ausgeschlagen. Besonders wichtig ist es daher, den Betroffenen die Scham zu nehmen, ihnen Mut zu machen, überhaupt Hilfe anzunehmen.

Am Geld sollte es nicht scheitern. Das Bildungsministerium stellt für die Zeit von 2016 bis 2026 insgesamt 180 Millionen Euro bereit, um Alphabetisierungsprojekte zu fördern. Zum Beispiel „AlphaGrund“, in dem sich seit 2012 zahlreiche Bildungswerke der Wirtschaft und das Institut der deutschen Wirtschaft engagieren, um unter anderem Basiskompetenzen wie Lesen und Schreiben zu vermitteln. Neben Kursen für Betroffene gibt es da auch Schulungen für Personalverantwortliche – etwa zum sensiblen Umgang mit den Analphabeten im Betrieb.

Das heikle Thema sensibel ansprechen

  • Ein Mitarbeiter reagiert nie auf schriftliche Einladungen – oder er gibt ungewohnte Aufgaben gerne rasch ab? Das können Hinweise auf verborgene Defizite beim Lesen und Schreiben sein.
  • Wer einem Betroffenen als Kollege oder Chef helfen will, sollte beim ersten Ansprechen sehr sensibel sein. Und auf jeden Fall versuchen, dieses heikle Gespräch unter vier Augen zu führen.

Praktische Tipps im Internet:alphagrund-projekt.de