Köln. Die Mittelschicht gilt als Pfeiler der sozialen Stabilität in Deutschland. Muss man sich da Sorgen machen – schrumpft die Mitte etwa, wie oft behauptet wird? Und wer zählt überhaupt dazu?

Sozialwissenschaftler machen den Begriff fest an Kriterien wie Bildung, Beruf, Wertvorstellungen. Wer die Mittelschicht analysiert, guckt jedoch oft einfach auf das Einkommen – weil das eben ein zentrales Statusmerkmal ist.

Die Bundesregierung grenzt großzügiger ab

Eine Expertin fürs Thema ist Judith Niehues vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Sie erklärt, wie sie die „Mitte im engeren Sinn“ abgrenzt: Sie geht vom sogenannten mittleren Einkommen aus, also dem Betrag, der die Bevölkerung genau in zwei Hälften teilt. 50 Prozent liegen darüber, 50 Prozent darunter. Zur engen Mittelschicht zählt, wer 80 bis 150 Prozent dieses mittleren Einkommens hat. Dabei geht es natürlich ums Netto, Einkünfte etwa aus Kapitalanlagen und staatliche Sozialtransfers werden mit eingerechnet.

„In dieser Einkommensgruppe finden sich am meisten Menschen, die ,typisch‘ Mittelschicht sind“, erklärt die Verteilungsforscherin. Aktuell zählt rechnerisch jeder Zweite dazu – 48 Prozent. „Das hat sich seit der Wiedervereinigung nicht wesentlich verändert“, betont Niehues. Die engere Mittelschicht ist also stabil. Die Bundesregierung grenzt da übrigens großzügiger ab, sie kommt aktuell auf 78 Prozent Mittelschicht.

Wie stabil die Mittelschicht ist, zeigt auch die folgende interaktive Grafik: Diese gibt an, wie viel Prozent der Bevölkerung zu den verschiedenen Einkommenskategorien zählen. Wenn Sie auf den Pfeil oben bei der Zeitleiste klicken, sehen Sie die Veränderung im Zeitverlauf seit 1991. Mit der Spalte rechts können Sie sich die Einkommensverteilung nach bestimmten Kriterien anzeigen lassen, wie Alter und Bildung:

Alleinerziehende sind besonders gefährdet

Wer ist eigentlich besonders stark vom Abstieg bedroht? „Vor allem: Alleinerziehende“, weiß IW-Ökonomin Niehues. Von ihnen gehört nur jeder Dritte zur Mitte – bei Paaren mit Kindern sind es 54 Prozent. Auch Menschen mit niedrigem Bildungsniveau oder Migrationshintergrund sind einem etwas höheren Armutsrisiko ausgesetzt als der Durchschnittsdeutsche; jeweils nur rund 40 Prozent gehören hier zur mittleren Einkommensschicht.

In der folgenden Bildergalerie können Sie schnell prüfen, ob Sie selbst der enger definierten Mitte angehören: Zu sehen sind die Einkommensgrenzen für Singles und Paare mit und ohne Kinder im Jahr 2014 (neuere Daten liegen noch nicht vor):

Die engere Mittelschicht in Euro (Nettoeinkommen)

Beispiele, Stand 2014; IW