Nürnberg. Die Erwartungen mancher Manager waren hoch, als vor einem Jahr der Zustrom der Flüchtlinge auf dem Höhepunkt war. Die Hoffnung der Wirtschaft: Jetzt kommen Fachkräfte, die wir so dringend brauchen.
Spätestens die harten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) und ihres Forschungsinstituts IAB lassen da realistischer in die Zukunft blicken. Seit kurzem gibt es einige Erkenntnisse über die direkten Auswirkungen der Flüchtlingskrise auf den Arbeitsmarkt.
Rund 140.000 Menschen aus den acht wichtigsten Kriegs- und Krisenländern (Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und natürlich Syrien) hatten im Juni einen sozialversicherungspflichtigen Job. Das waren immerhin gut 30 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Aber die Zahl der Arbeitslosen steigt schneller: Im August waren 153.000 Geflüchtete arbeitslos gemeldet – mehr als doppelt so viele wie im August 2015. Hinzu kommen rund 193.000 bei der BA registrierte Menschen, von denen die meisten jetzt in Integrations-, Sprach- oder anderen Maßnahmen gefördert werden.
In der nächsten Zeit steigt die Zahl der arbeitslosen Flüchtlinge
Wobei bisher noch nicht mal die Hälfte der Flüchtlinge in den BA-Statistiken auftaucht: Mehr als eine halbe Million Menschen warteten Ende Juli noch auf die Entscheidung über ihren Asylantrag. „In den kommenden Jahren ist mit weiter steigenden Arbeitslosenzahlen von Flüchtlingen zu rechnen“, sagt Ehsan Vallizadeh vom IAB. „Die meisten Flüchtlinge sind zwar erwerbsfähig und sehr motiviert, stehen dem Arbeitsmarkt aber noch gar nicht zur Verfügung.“
Die Arbeitslosmeldung sei häufig als erster Schritt zur Integration zu werten, betont der Experte. „Die Dauer hängt aber von der Länge der Asylverfahren, der Sprachförderung, den Investitionen in Bildung und Ausbildung und nicht zuletzt von der Aufnahmebereitschaft der Wirtschaft ab“, so Vallizadeh.
Genau darüber sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel übrigens gerade mit Vertretern der Initiative „Wir zusammen“, an der sich inzwischen über 120 Unternehmen beteiligen, darunter etliche Dax-Konzerne (wir-zusammen.de).
Was die Statistik noch zeigt: Aus den acht Asylherkunftsländern kommen aktuell 6 Prozent aller Arbeitslosen. Der Großteil der „Arbeit suchenden“ Flüchtlinge – nicht alle sind zugleich arbeitslos gemeldet – kommt aus Syrien (193.000), aus dem Irak (28.000) und Afghanistan (27.000). Etwa 40 Prozent der Geflüchteten sind jünger als 30 Jahre, drei von vier sind männlich. Ein Viertel bringt das (Fach-) Abi mit. Aber knapp 60 Prozent haben entweder keinen Hauptschulabschluss, oder es liegen keine Angaben zur Schulbildung vor.
Die wenigsten haben eine Berufsausbildung: Ein Grund dafür, dass „die großen Einstellungen im qualifizierten Bereich nicht stattfinden“, wie BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker sagt. Die meisten von denen, die schon beschäftigt sind, hätten in der Zeitarbeit, im Reinigungsgewerbe, im Hotel- und Gaststättenbereich und in der Lagerlogistik einen Job gefunden.
Die größte Hürde auf dem Weg in Lohn und Brot ist natürlich die Sprache. Zudem gilt es laut Becker, „herauszufinden, was die Menschen können – in dieser Phase sind wir“. Wolle man den Flüchtlingen „realistische Chancen geben“, brauche man „ein bisschen Geduld“. Hilfreich sei etwa eine Einstiegsqualifizierung: „Da lernen Flüchtlinge die Fachsprache und die betrieblichen Abläufe.“