Der Textilveredler Kettelhack im münsterländischen Rheine kann in diesen Tagen stolz auf 150 Jahre Firmengeschichte zurückschauen. aktiv sprach mit den beiden Geschäftsführern Jan Kettelhack und Joan Kettelhack darüber, wie es um das Familienunternehmen steht und welche Zukunftspläne sie für den 100-Mann-Betrieb haben.
Herr Kettelhack, Sie feiern 150 Jahre im Geschäft: Herzlichen Glückwunsch dazu! Wie geht es Ihrem Unternehmen gerade?
Joan Kettelhack: Zugegeben, wir befinden uns derzeit in einer wirtschaftlich sehr herausfordernden Zeit. Die Geschäftsentwicklung im Gesundheitswesen, der Industrie oder dem Handwerk ist sehr zurückhaltend. Und gerade für diese Branchen liefern wir einen Großteil unserer Gewebe. Das schlägt natürlich bis zu uns durch. Gestärkt durch die positive Entwicklung der letzten Jahre stehen wir aber immer noch solide da und wollen uns nicht beklagen.
Jan Kettelhack: Das liegt auch daran, dass wir breit in verschiedenen Marktsegmenten aufgestellt sind. So konnten wir in der Vergangenheit schwächelnde Bereiche mit anderen gut laufenden ausgleichen. In der Corona-Krise ist uns zum Beispiel die Hotelbettwäsche von heute auf morgen komplett weggebrochen – dafür lief unser Angebot bei Berufskleidung im Gesundheitswesen gut. Insgesamt blicken wir auf eine zufriedenstellende wirtschaftliche Entwicklung in den letzten Jahren zurück. Die müssen wir jetzt aber verteidigen, weil im Moment positive Impulse aus dem Markt eher Mangelware sind.
Wie wollen Sie dabei vorgehen?
Jan Kettelhack: Uns geht es dabei nicht um kurzfristigen Absatz. Als Familienunternehmer in der jetzt immerhin fünften Generation haben wir schon immer langfristig gedacht. Und da ist für uns oberste Prämisse, wirtschaftlich und finanziell unabhängig zu bleiben. Wir haben deshalb in guten Jahren die Erträge im Unternehmen gelassen, um damit die Basis für Investitionen zu schaffen. Das ermöglicht es uns, auch in schwierigeren Situationen zu investieren.
Welche Pläne haben Sie denn da konkret?
„Wir holen jetzt einen Teil der Wertschöpfung zurück nach Rheine“
Geschäftsführer Joan Kettelhack
Joan Kettelhack: Wir haben 2023 in eine Photovoltaik-Anlage und in die Elektro-Infrastruktur investiert. Und mit der neuen Konfektionsanlage für Bettwäsche holen wir jetzt einen Teil der Wertschöpfung zurück nach Rheine. Wir sind überzeugt, dass Automatisierung und Digitalisierung es möglich machen, hier wieder mehr Wertschöpfung nah am Markt durchzuführen. So können wir in Zukunft schneller, flexibler und vor allem zuverlässiger sein und sind etwas weniger auf unsichere Lieferketten angewiesen. Zusätzlich investieren wir aktuell in zwei neue Spannrahmen, die durch neuste Technik und Sensorik gepaart mit einer hocheffizienten Wärmerückgewinnung deutliche Energieeinsparungen versprechen.
Sie holen Wertschöpfung zurück – aber: Sie haben sich von der eigenen Spinnerei und Weberei im Betrieb getrennt.
Jan Kettelhack: Ja. Insgesamt eine sehr schwierige und weitreichende Entscheidung, die für viele schlaflose Nächte gesorgt hat. Aber typisch dafür, dass man sich zunächst von etwas trennen muss, bevor man Neues beginnen kann. Unsere Kernkompetenz lag ja darin, vom Rohstoff bis zum Endprodukt alles unter einem Dach zu haben. Aber die Kernkompetenz ist der Blick nach hinten. Wichtiger ist der Blick nach vorn, auf das Kernpotenzial. Das müssen wir berücksichtigen, wenn wir langfristige Perspektiven schaffen wollen.
Können Sie das genauer erklären?
Jan Kettelhack: Für uns entwickelte sich der Trend zu Geweben aus Garntypen, die wir in unserer Spinnerei nicht produzieren konnten, zunehmend zu einem Problem. Kompensiert haben wir das durch den Zukauf von geeigneten Garnen und Rohgeweben. Das führte aber zu einer Unterauslastung unserer Spinnerei, und auch die Weberei verlor durch den höheren Aufwand bei der Verarbeitung von Zukaufgarnen an Leistungsfähigkeit. Durch die Trennung von der Spinnerei und Weberei haben wir uns alle Optionen geschaffen, am freien Markt Rohgewebe in den vom Markt gewünschten Qualitäten und Einstellungen zu beschaffen. Und so für unsere Kunden eine noch attraktivere Produktpalette zu entwickeln.
Wagen Sie vielleicht eine Prognose: Wie sieht Kettelhack in 150 Jahren aus?
Jan Kettelhack: So weit sollten wir nicht schauen. Ich hoffe, dass Kettelhack auch in 50 Jahren ein Familienunternehmen ist, das handfeste Werte schafft.
Joan Kettelhack: Das müssen nicht nur physische Produkte sein, sondern auch Dienstleistungen. Ob die noch textil sind, wissen wir noch nicht. Aber wie mein Vater sagt: Im Kern wollen wir auch in Zukunft ein Familienunternehmen bleiben.
Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.
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