Sie stecken in fast jedem Auto. Ohne sie würde vieles nicht funktionieren. Aber: Man sieht sie nicht. Die Bauteile der Firma Schürholz in Plettenberg, Spezialist für Prägeform-, Stanz-, Stanzbiege- und Ziehteile, teilen das Schicksal vieler Produkte der „Hidden Champions“, der heimlichen Weltmarktführer, in Südwestfalen.

Da sind zum Beispiel diese kleinen Metallgehäuse für Elektromotoren. Fensterheber, Sitzverstellung, Heckklappenschließsysteme, Schiebedächer, Kühler … Je nach Modell sind oft mehrere Dutzend Elektromotoren im Auto verbaut. Und je mehr Komfort sich der Autofahrer wünscht, desto größer wird ihre Zahl. „Es ist ein wachsender Markt“, sagt Heiko Bömer, Geschäftsleiter Vertrieb bei Schürholz.

Eine Handvoll Mitbewerber gibt es weltweit in dem Bereich – die Plettenberger sind ganz vorn dabei. 35 Millionen dieser Gehäuse werden hier pro Jahr gefertigt. Drei vollautomatische Stanz-Biege-Zentren sind dafür in den vergangenen Jahren noch einmal angeschafft worden. Mit den für Schürholz entwickelten Anlagen hat das Unternehmen eine neue technische Lösung in der Fertigung umgesetzt. „Wir haben uns damit einen Technologievorsprung gesichert“, erklärt Geschäftsführer Angelo Castrignano.

Innovative Fertigung spart rund 30 Prozent an Material

Konventionell werden die Motorengehäuse tiefgezogen, das heißt mit Druck in eine Form gepresst. In Plettenberg werden die Platinen exakt gestanzt, zum Gehäuse gebogen, per Laser verschweißt und mit dem aufgesetzten Deckel verstemmt. Alle Arbeitsschritte inklusive des lasergestützten Überprüfens der Schweißnähte laufen in der Anlage als durchgängiger Prozess ab. Eine hohe Taktzahl macht die Fertigung sehr effizient. Auch unterschiedliche Materialstärken können einfach verarbeitet werden. „Im Vergleich zum Tiefziehen sparen wir auf diesem Weg rund 30 Prozent an Material, was ein enormer Kostenvorteil ist“, so Castrignano.

Die Teile erfüllen höchste Qualitätsanforderungen; gerade für Fensterheber müssen sie absolut wasser- und druckdicht sein. Aber auch außerhalb des Automotivebereichs eröffnen sich neue Märkte. Garagentore, Kaffeemaschinen, weiße Ware: „Wir sind dafür in der Produktion gut aufgestellt“, sagt der Geschäftsführer.

Pro Jahr Tanksysteme für 30 Millionen Autos

Das gilt auch für das zweite Hauptprodukt des Unternehmens: Tankverschlusssysteme. Mit dem zweiteiligen Set werden Kraftstoffpumpe und Kunststofftank im Auto verbunden. Die Anforderungen sind sehr hoch, die Standards gestiegen. „Vor einigen Jahren gab es noch eine Emission von circa fünf Litern pro Jahr. Heute sind wir bei 0,05 Litern“, erläutert Vertriebsleiter Bömer. Auch hier gibt es nur zwei bis drei Mitbewerber weltweit: „Wir statten in diesem Jahr 30 Millionen Fahrzeuge damit aus.“

35.000.000 Motorengehäuse werden jährlich in Plettenberg gefertigt

Das Erfolgsprodukt gehört zu den Teilen für Verbrenner, von denen sich Schürholz noch nicht getrennt hat – und erst mal auch nicht trennen wird. „Verbrennermotoren werden weltweit auch weiter eine wichtige Rolle spielen“, ist Castrignano überzeugt. „Und auch in Hybridfahrzeugen wird ja ein Tanksystem gebraucht.“ Deren Anteil sei beispielsweise in China sehr hoch. Dort hat Schürholz bereits einen Produktionsstandort aufgebaut, den dritten nach Polen. Ein vierter geht in den USA an den Start. Die erste Maschine wurde gerade geliefert, zehn Mitarbeiter sollen dort zunächst einen Job finden. „Wir werden in einem ersten Schritt Tankverschlusssysteme fertigen. Ziel ist, Produktion und Produkte später zu erweitern“, sagt der Geschäftsführer.

Für Schürholz ist internationale Präsenz ein Muss

Er sieht dort einen großen Markt. „Die E-Mobilität ist in den USA noch nicht so weit. Die Entfernungen und die fehlende Infrastruktur machen es dort schwieriger.“ Angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen in den USA mit drohenden Zöllen erscheint die Standortentscheidung genau richtig. „Lange geplant, aber fast zu spät“, meint Castrignano. Aber es gehe auf jeden Fall hin zu „local für locals“. Bömer ergänzt: „Es ist wichtig, auf den internationalen Märkten präsent zu sein und die Kontakte dort auf Augenhöhe zu pflegen.“

Die Strategie des 1918 gegründeten Familienunternehmens hat sich bewährt. Mit den 192 Mitarbeitern in Plettenberg – weltweit sind es insgesamt 360 – macht es einen Umsatz von 150 Millionen Euro im Jahr, 55 Prozent davon im Ausland.

Technisches Know-how sitzt in Plettenberg

„Und das wird weiter steigen“, glaubt Castrignano, der das Unternehmen gemeinsam mit Florencia Schürholz – vierte Generation der Gründerfamilie – leitet. Plettenberg wird jedoch weiter der Stammsitz bleiben. Auch hier wurden in den vergangenen Jahren noch einmal mehrere Millionen Euro in Produktionshalle, Hochregallager und Maschinenpark investiert.

Über die politischen Rahmenbedingungen klagt man jedoch auch hier. Sie sind mit wenig Verlässlichkeit, zu viel Bürokratie, hohen Kosten und Aufwand und katastrophaler Infrastruktur deutlich schlechter als an den anderen Schürholz-Standorten im Ausland. Doch das Know-how und die Menschen sind da. „Viele Aufträge aus dem Ausland wären ohne Plettenberg nicht möglich.“

Hildegard Goor-Schotten
Autorin

Die studierte Politikwissenschaftlerin und Journalistin ist für aktiv vor allem im Märkischen Kreis, in Hagen und im Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs und berichtet von da aus den Betrieben und über deren Mitarbeiter. Nach Studium und Volontariat hat sie bei verschiedenen Tageszeitungen gearbeitet und ist seit vielen Jahren als freie Journalistin in der Region bestens vernetzt. Privat ackert und entspannt sie am liebsten in ihrem großen Garten

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