Naturschützer gegen Chemiekonzerne – wer glaubt, das ist wie David gegen Goliath, gewinnt durch den Fall Glyphosat einen anderen Eindruck. Die Umweltlobbys haben in Brüssel so viel Druck aufgebaut, dass das weltweit wichtigste Pflanzenschutzmittel auf der Kippe steht.
Glyphosat, 1950 erfunden, ist auf 40 Prozent der deutschen Äcker im Einsatz. Es ermöglicht, weniger zu pflügen, das mindert Erosion und Spritverbrauch. Im Juni läuft in Europa die Zulassung aus. Die EU-Kommission will sie um 15 Jahre verlängern, machte aber Anfang März zunächst einen Rückzieher – weil die Zustimmung der Mitgliedsstaaten unsicher schien. Die Chemie sagt: Glyphosat ist okay. Umweltverbände kontern: Stimmt nicht. Lieschen Müller denkt also: Da liegt die Wahrheit wohl in der Mitte.
In dieser Situation ist Andreas Hensel nun der Kragen geplatzt. Der weltweit angesehene Professor ist Deutschlands oberster Gefahren-Beurteiler: Er leitet das Bundesinstitut für Risikobewertung, seit 2003, damals ernannt von der grünen Verbraucherministerin Renate Künast.
„Um eine kritische Menge Glyphosat aufzunehmen“, müsste man zum Beispiel „täglich 1.000 Liter Bier trinken“, stellt Hensel klar. Und grundsätzlich: „Dank inzwischen hochpräziser Messtechnik scheint es vor Giften nur so zu wimmeln, aber unser Essen ist sicherer als je zuvor.“ Die wahre Gefahr seien fehlende Hygiene in der heimischen Küche und die „schwarz gebrutzelte Kartoffel“.
Für einen Spitzenbeamten sind das bemerkenswerte Worte. Die Wahrheit liegt bei diesem Thema nicht in der Mitte, sagt er. Und: „Es gibt gerade in Deutschland viele Nichtregierungsorganisationen, die die Angst vor Chemie gezielt verstärken.“