Berlin. Diese Bilder prägen sich ein: Schwimmende Müllteppiche in den Ozeanen – Wale, die an Plastiktüten oder PET-Flaschen in ihren Gedärmen verenden. Die Öffentlichkeit ist schockiert und sucht nach Schuldigen.

„In der grundsätzlich ja wichtigen Debatte über Plastikmüll ist in letzter Zeit zunehmend auch die Textilbranche ins Visier geraten“, wundert sich Michael Engelhardt, Experte für Energie-, Umwelt- und Rohstoffpolitik beim Gesamtverband Textil + Mode in Berlin. „Angeblich verschlimmern synthetische Fasern etwa in Sportbekleidung das Problem mit winzigen Plastikteilchen, dem Mikroplastik. Aber da stimmen eben viele Behauptungen mit den Fakten nicht überein.“ aktiv bringt Licht in die Diskussion. 

In Sachen Mikroplastik spielen Textilien praktisch keine Rolle 

Das gilt in Deutschland (siehe Grafik) wie auf dem Ozean. Hauptquelle für Mikroplastik in den Meeren sind die schwimmenden Müllteppiche aus Flaschen, Verpackungen oder Styropor und Plastiktüten. Etwa 13 Millionen Tonnen davon landen jährlich in den Weltmeeren, so Schätzungen des Umweltbundesamts. Mehr als 90 Prozent dieser Menge kommen aus zehn Flüssen Asiens und Afrikas. „Der Plastikmüll zersetzt sich mit der Zeit durch Witterungseinflüsse und Mechanik zum nur wenige Millimeter großen Mikroplastik“, so Engelhardt. 

Sportbekleidung verliert oft Fasern, die zu Mikroplastik zählen

Stimmt – aber längst nicht in den Mengen, wie gerne mal behauptet wird. Textilforscher Stefan Stolte von der Technischen Hochschule Dresden hat ermittelt, dass Fleecekleidung im Lauf der Zeit tatsächlich 5 bis 20 Prozent des ursprünglichen Gewichts während des Waschens und Tragens verliert. Das hört sich nach viel an. „Im Vergleich zu den vielen anderen Mikroplastik-Quellen ist dieser Textilabrieb jedoch vernachlässigbar gering“, betont Verbandsexperte Engelhardt. Das belegt eine Studie des Fraunhofer-Instituts Umsicht in Oberhausen: Demnach liegt der Faserabrieb von Textilien hierzulande bei 79 Gramm pro Kopf und Jahr – selbst der Abrieb von Schuhsohlen ist größer! 

Textilfasern gelangen bei uns nicht ungehindert in die Umwelt 

Etwa 85 bis 95 Prozent der Fasern werden in deutschen Klärwerken zurückgehalten - mithilfe von Filtern aus Flortextilien, die in einer speziellen vierten Klärstufe eingesetzt werden. „Durch die meistens anschließende Klärschlammverbrennung gelangen letztlich so gut wie keine Fasern mehr in die Umwelt“, so Engelhardt.

Die Textilbranche arbeitet an Verbesserungen 

So entwickelt zum Beispiel der Membranhersteller Sympatex aus Unterföhring bei München neue Beschichtungen für Outdoor-Kleidung. Ziel ist es, den Faserabrieb beim Waschen um 85 Prozent gegenüber dem Abrieb heute üblicher Polyestertextilien zu reduzieren. Erste Ergebnisse sollen schon bald in die Produktion einfließen.