Witten. Bei dieser Firma dreht sich alles um eine Scheibe: Gemeint ist das runde Ding, das Hochgeschwindigkeitszüge auf der ganzen Welt sicher herunterbremst. Dabei macht die Faiveley Transport Witten GmbH, wie das Unternehmen heißt, selbst Tempo: weg von traditioneller Fertigung hin zu einem hochmodernen Entwicklungs- und Produktionsstandort. Im Zentrum der Planungen stehen Investitionen, eine gelungene Betriebsvereinbarung – und eine patentierte Bremsscheibe.

„Wir konnten uns nicht vorstellen, dass es mit ihr funktioniert. Aber wir haben es geschafft“, sagt Geschäftsführer Jörg Nuttelmann. Die neue Scheibe wird die Wartung von Zügen verändern – vor allem auf der Kostenseite. Weil das gute Stück aus handelsüblichem Standardstahl besteht und nicht mehr wie bisher in kleinen Stückzahlen aus Stahl- oder Grauguss speziell hergestellt werden muss, bringt es für die Firma wie die Kunden erhebliche Vorteile: Die Scheibe verringert die Lieferzeit von mehreren Monaten auf drei Wochen, ist günstiger und verschleißärmer – und lässt sich in Sachen Haltbarkeit an die üblichen Serviceintervalle von Zügen anpassen.

Pro Jahr stellt das Werk (rund 300 Mitarbeiter) 35.000 bis 40.000 Bremsscheiben her. Inklusive Zugkupplungen setzt es rund 100 Millionen Euro um.

Alle sechs Jahre braucht ein ICE neue Bremsscheiben und Beläge

Ein Blick auf die Kostenstruktur des Bahnbetriebs verdeutlicht schnell den Nutzen günstigerer Bremsscheiben: 120 Stück hat ein über 300 Stundenkilometer schneller ICE 3. Braucht er – in der Regel alle sechs Jahre – neue Bremsbeläge und Scheiben, liegen alleine die Materialkosten bei einer Viertelmillion Euro. Das macht rund ein Drittel der reinen Betriebskosten aus – der größte Posten neben der Energie.

Auch bei Faiveley dreht sich vieles um die Kosten. Die Betriebsvereinbarung sieht vor, dass bis Ende nächsten Jahres 65 Arbeitsplätze abgebaut werden, weil der US-Mutterkonzern Wabtec einen Teil der Fertigung in ein großes Montagewerk nach Tschechien verlagert. In dieser Fabrik sind die Stundenlöhne weniger als halb so hoch wie in Deutschland. Im Gegenzug verpflichtet sich der Konzern, im Revier 10 Millionen Euro in die Modernisierung zu investieren.

Mit der neuen Strategie will die Fabrik der Konkurrenz auch in Zukunft erfolgreich die Stirn bieten: Alle 100 neuen ICE 4 wie auch der RRX, der ab 2019 Ruhrgebiet und Rheinland in schnellem Takt verbinden wird, bremsen mit Scheiben aus NRW.