Frankfurt. Durch die fortschreitende Digitalisierung erreicht auch lebenslanges Lernen eine neue Dimension. AKTIV fragte Charlotte Venema, Leiterin Berufliche Bildung und Personalpolitik des Arbeitgeberverbands Hessenmetall, wie die Digitalisierung die Aus- und Weiterbildung verändert.

Ist die klassische Berufsausbildung noch zeitgemäß?

Die „klassische“ duale Berufsausbildung ist aktueller als die meisten anderen Bildungswege. Da der größte Teil der Ausbildung im Betrieb stattfindet, sind die Verfahren und Technologien, die in der Praxis gerade angewendet werden, Thema der Ausbildung. Man lernt also im Unternehmen beispielsweise den Umgang mit vernetzten Robotern oder der virtuellen Realität und den Einsatz von 3-D-Brillen.

Inwieweit werden sich Berufsbilder verändern?

Die Ausbildungsordnungen beschreiben die Kompetenzen, die im Unternehmen gebraucht werden. Deshalb ist man gerade dabei, in die Berufsbilder die Digitalisierung zu integrieren. Bei den Elektroberufen werden schon ab 2018 unter anderem die Zusatzqualifikationen digitale Vernetzung und IT-Sicherheit in die Ausbildungsordnung aufgenommen. Und das ist nur ein Beispiel. Planung und Steuerung, also das Verständnis für komplexe Prozesse, werden wichtiger. Die Kommunikation über Abteilungsgrenzen hinweg, das selbstgesteuerte Lernen und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, müssen wir in der Ausbildung fördern. Und natürlich muss jeder Azubi die digitale Technik verstehen.

Wie sieht die Aus- und Weiterbildung der Zukunft aus?

Wir werden immer weniger zwischen Aus- und Weiterbildung unterscheiden, denn Lernen wird während des gesamten Berufslebens nötig sein. Die neuen Technologien machen es möglich, dass Menschen aus vielen Quellen ihr Wissen beziehen und sich dabei auch selbst in Lerngruppen organisieren. Wir werden den persönlichen Kontakt im Schulungs- und Seminarraum und den Ausbilder auch weiter brauchen. Aber die Online-Medien werden dieses Lernen durch eine Vielzahl anderer Möglichkeiten ergänzen. Viessmann setzt zum Beispiel auf eine Vertrauenslernzeit ohne Kontrolle von zwei Stunden pro Woche und stellt allen Mitarbeitern 200 Euro für Online-Kurse zur Verfügung.

Wie reagieren Unternehmen und Personalverantwortliche?

Sie experimentieren mit neuen Lernmethoden und unterstützen Menschen dabei, sich in der neuen Arbeitswelt zurechtzufinden. Dazu brauchen wir auch neue Führungsmethoden, die weniger auf direkte Anweisung und Kontrolle setzen und dem Menschen mehr Entscheidungsfreiheit und Verantwortung geben. Unternehmen bauen interne Netzwerke auf, die Arbeitnehmern die Möglichkeit geben, sich zu vernetzen, und die mehr direkte Zusammenarbeit möglich machen.

Kann der Mensch da überhaupt noch mithalten?

Nur Menschen können dabei mithalten. Ein Computer folgt nur den eigenen Routinen und internen Anweisungen. Menschen entscheiden, wozu die Technik eingesetzt wird. Welche Produkte letztendlich gekauft werden, entscheiden immer noch die Kunden – und das sind ausschließlich Menschen. Aber wir können immer mehr Aufgaben, die früher von Menschen erledigt werden mussten, an Maschinen delegieren.

Wie kann man mit den Anforderungen noch Schritt halten?

Jeder sollte sich mit den Entwicklungen an seinem Arbeitsplatz und auch mit den Veränderungen im privaten Umfeld auseinandersetzen. Früher war ein besonderes Spezialwissen nötig, um am Computer zu arbeiten. Heute sind die Endgeräte so benutzerfreundlich, dass sie von jedem bedient werden können. Meist ist die Angst vor neuer Technik das größte Problem, weniger die Technik selbst.

Mehr dazu gibt’s hier

media.cogneon.de/download