Münster/Schüttorf. Es gibt Jobs, die können für Leib und Leben gefährlich sein: Wenn Feuerwehrmänner im Löschwasser stehen, Chemiewerker in der Nähe von Säuren oder Laugen arbeiten oder Polizisten in schusssicheren Westen Dienst tun, ist Vorsicht geboten.

„Für solche Arbeiten gibt es Arbeitsschutzkleidung, die aus speziell ausgerüsteten Textilien besteht“, sagt Markus Strauß, Umweltexperte beim Verband der Nordwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie in Münster.

Alternativen zu Fluorcarbon gibt derzeit noch nicht

Die Gewebe dieser persönlichen Schutzausrüstung sind flüssigkeitsabweisend ausgerüstet. Ähnlich wie der sogenannte Tefloneffekt in Pfannen Fett, Öl und Wasser von der Oberfläche abperlen lässt, halten sie Öl, Schmutz, Chemikalien oder Blut fern vom Körper.

„Womöglich kann dieses hohe Schutzniveau bald nicht mehr eingehalten werden“, fürchtet Strauß. Durch eine geplante EU-Regelung im Rahmen der Chemikalienpolitik sollen gerade die Stoffe verboten werden, die den Schutzeffekt erzeugen: hochwertige Fluorcarbon-Verbindungen.

„Wir nutzen diese Fluorverbindungen, um der Arbeitsschutzkleidung einen Chemikalienschutz zu geben“, erklärt Manfred Herbers, Betriebsleiter der Rofa-Bekleidungswerke in Schüttorf. Ohne Fluorcarbone könne man die geforderte Schutznorm nicht erreichen. Sie garantiert, dass zum Beispiel Chemikalienspritzer und Lösungsmittel das Gewebe nicht durchdringen und auf der Haut des Trägers landen.

Etwa 60 bis 70 Prozent der Schutzkleidung, die Rofa etwa für Chemiewerker oder Mitarbeiter in Raffinerien herstellt, sind von akkreditierten Prüflaboren zertifiziert und wären von dem Verbot betroffen. Herbers: „Kommt es, erhielten wir die Zertifizierung nicht mehr.“ Alternative Ausrüstungen, die einen ähnlich hohen Schutz garantieren, gibt es bisher nicht. Herbers: „Ohne Fluorcarbon geht es derzeit nicht.“

Die Schüttorfer stehen mit dem Problem nicht allein da. „Viele Textilunternehmen, die auf der Basis von Fluorcarbon ihre Produkte ausrüsten, wären massiv betroffen“, sagt Experte Strauß. Auf seiner Liste stehen 150 Artikel, die in Deutschland nicht mehr herstellbar wären, weil die notwendigen Stoffverbindungen nicht eingesetzt werden dürften: textile Industriefilter, Membranen für Auto-Akkus, Markisen, Pflege- und Hygiene-Artikel oder Geo-Gitter für den Straßen- und Dammbau.

Das Gros davon sind also technische Textilien, mit denen die Branche zuletzt fast 9 Milliarden Euro Umsatz gemacht hat – gut die Hälfte des Gesamtgeschäfts.

Rückhaltesysteme in Betrieben fangen die Stoffe auf

Dennoch betreibt die EU-Kommission das Verbotsverfahren weiter. Ihr Argument: Fluorcarbon-Verbindungen reichern sich in der Umwelt an und bauen sich nicht ab. Der promovierte Chemiker Strauß widerspricht da nicht – gibt aber zu bedenken: „Es gibt bisher keine Beweise, dass diese Verbindungen schädlich für Umwelt und Mensch sind.“

Außerdem sinke die Menge der eingesetzten Fluorverbindungen seit Jahren dank neuer Herstellungsmethoden. Strauß: „Für den Rest setzen die Unternehmen Rückhaltesysteme ein, um die Stoffe aufzufangen und zu recyceln.“