Berlin/Frankfurt. Arbeitsministerin Andrea Nahles will den Anspruch von EU-Ausländern auf Sozialleistungen begrenzen. Es geht um Sozialhilfe, Hartz IV und eine neu geschaffene „Überbrückungsleistung“. Das Gesetz soll Städte und Gemeinden vor einer Kostenlawine schützen – nachdem das Bundessozialgericht Ende 2015 einen Sozialhilfe-Anspruch nach sechs Monaten Aufenthalt festgestellt hatte.
Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause ins Kabinett und Anfang 2017 in Kraft treten. Die Regeln im Einzelnen:
Sozialhilfe
Sie soll für mittellose EU-Ausländer künftig erst nach fünf Jahren Aufenthalt fließen. „Wir wollen die Kommunen davor bewahren, unbegrenzt für sie sorgen zu müssen“, begründet Nahles ihren Vorstoß. Durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts drohten Kosten von jährlich 800 Millionen Euro. Die Rede ist von etwa 130.000 Betroffenen: Rund 800 Euro monatlich kriegen Alleinstehende, 1.200 Euro ein Ehepaar sowie 1.800 Euro eine Familie mit zwei Kindern, jeweils inklusive Zuschlägen etwa für Miete und Heizung.
Die Frankfurter Sozialrechts-Professorin Astrid Wallrabenstein erläutert: „Mit der Fünfjahresfrist geht der Entwurf noch über die vier Jahre hinaus, in denen Großbritannien EU-Ausländern Sozialleistungen verweigern will.“ Das hat Premier David Cameron kürzlich der EU abgetrotzt – als Ausnahme. Nahles gibt sich trotzdem überzeugt, dass ihr Gesetz mit EU-Recht vereinbar ist.
Hartz IV
Auch Anspruch auf „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ haben viele EU-Ausländer künftig erst nach fünf Jahren Aufenthalt, sagt Wallrabenstein. „Das ergibt sich aus der Vorgabe des Bundessozialgerichts.“ Das hatte nämlich entschieden: Wer als EU-Ausländer hier noch nie gearbeitet hat, bekommt kein Hartz IV – zur Abmilderung formulierten die Kasseler Richter den Anspruch auf Sozialhilfe.
Wer gearbeitet hat, kann auch künftig schon nach weniger als fünf Jahren Aufenthalt Hilfe bekommen. Nach sechs Monaten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung oder Selbstständigkeit und unfreiwilliger Arbeitslosigkeit gibt es unverändert sechs Monate Hartz IV – und nach zwölf Monaten unbefristet. Aktuell erhalten 440.000 EU-Ausländer Hartz IV, oft als Aufstockung zu einem niedrigen Lohn.
Überbrückungsleistung
Als kleinen Ersatz für die gestrichene Sozialhilfe schafft Nahles eine Nothilfe: Vier Wochen innerhalb von zwei Jahren gibt es Geld etwa für Miete, Essen und Arztbesuch. Zudem finanziert der Staat gegebenenfalls per Darlehen ein Rückfahrticket. „Das Gesetz ist sehr strikt gefasst“, sagt Expertin Wallrabenstein. „Da wird es sicher Problemfälle geben, über die das Bundesverfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof entscheiden müssen.“