Bonn. Wenn man Atomkraftwerke in Süddeutschland abschaltet und dafür Windparks in der Nordsee baut, muss viel mehr Strom durchs ganze Land fließen. „Besonders dringlich“ sind also zusätzliche „Nord-Süd-Trassen“ – hieß es schon 2010 im Energiekonzept der Bundesregierung. Jetzt, 2017, wird’s ernst: mit vier neuen Stromautobahnen.

Natürlich ist das Netz schon erweitert worden, etwa durch die „Thüringer Strombrücke“ von Sachsen-Anhalt nach Bayern. Andere Verstärkungen sind im Bau oder im Planverfahren – so das „Ultranet“ von Nordrhein-Westfalen nach Baden-Württemberg. Dessen Errichtung wird kaum auffallen, da weitgehend vorhandene Masten genutzt werden.

Ganz anders ist das bei vier der Höchstspannungsleitungen, die als Schlagadern der Energiewende gelten: Sie werden ganz neu gebaut – insgesamt rund 2.500 Kilometer!

Die Anträge für den zweiteiligen „Süd-Link“ und den „Süd-Ost-Link“ wollen die Übertragungsnetzbetreiber Tennet, TransnetBW und 50Hertz nach eigenen Angaben schon bald bei der Bundesnetzagentur einreichen. 2018 folgt Amprion mit seinem Antrag für „A-Nord“ (siehe Grafik).

Diese vier Trassen sollen je zwei Gigawatt transportieren, also locker die Leistung eines Atomkraftwerks. Mittels verlustarmer Hochspannungsgleichstromübertragung, kurz „HGÜ“. Und weitgehend mit Erdkabeln – das ist gesetzlich so vorgegeben. Denn die Regierung scheute die Auseinandersetzung mit Wutbürgern um „Monstertrassen“ mit klassischen Freileitungen.

Erdkabel statt Freileitungen – das wird deutlich teurer

Dass gebuddelt werden muss, macht die Sache wohl mindestens dreimal so teuer. Die Bauarbeiten (wie auch Reparaturen) sind aufwendiger, die Kabel selbst sind teurer als bei Freileitungen (und halten nicht so lange). Zudem befürchtet der Bauernverband „erhebliche Produktionseinbußen“ auf den betroffenen Äckern und pocht auf verbesserte Entschädigungsregeln.

Andererseits könnten Erdkabel näher an Wohnorte heranrücken als Masten – was die Leitungen verkürzen würde. Zudem ist offen, ob 320-Kilovolt-Kabel kommen oder gar 525-Kilovolt-Kabel: HGÜ-Leitungen mit derart hoher Spannung und entsprechend besserer Kapazität hat der Konzern ABB schon 2014 präsentiert, mit ihnen könnten die Trassen schmaler ausfallen.

Kein Wunder, dass die Kosten nur grob geschätzt werden können. Jüngste Zahlen der Netzbetreiber addieren sich auf rund 17 Milliarden Euro für die vier Leitungen. Bezahlen müssen das die Stromverbraucher, über die Netzentgelte.

Fertig werden die vier Stromautobahnen erst um 2025, Jahre später als zunächst geplant – das letzte Atomkraftwerk wird ja 2022 abgeschaltet. Damit es da nicht zu Blackouts kommt, sind im Strommarktgesetz 2016 diverse neue Reservemechanismen verankert worden.

Schon jetzt müssen die Betreiber viel häufiger als früher stabilisierend eingreifen, weil immer mehr wetterwendischer Ökostrom ins Netz drängt. Also mehr „Redispatch“ und mehr „Einspeisemanagement“ nebst „Ausfallarbeit“: Solche Maßnahmen für den Ausgleich von Engpässen haben laut Wirtschaftsministerium schon 2015 mehr als 1 Milliarde Euro gekostet! Mit den neuen Trassen sollte das dann wieder besser und billiger werden.

Bald kann man Ökostrom einfach in Norwegen parken

Künftig soll auch die EU dazu beitragen, dass Strom sicher und bezahlbar fließt. „Durch großräumige Ausgleichseffekte kann im europäischen Binnenmarkt Versorgungssicherheit kostengünstiger erreicht werden“, betont das Ministerium. Viele Strom-Kuppelstellen an den deutschen Grenzen werden gerade ausgebaut.

Ein spannendes Beispiel dazu: Seit kurzem wird der „Nord-Link“ verlegt. Er soll unser Netz mit den großen Wasserkraftspeichern in Norwegen verbinden. Dort kann ab etwa 2020 überschüssiger deutscher Ökostrom geparkt werden – und bei Bedarf zurückgeholt.