Berlin. Der Kohlendioxid-Ausstoß von Neuwagen soll europaweit bis 2030 drastisch sinken – gegenüber heute um rund die Hälfte! Das ist wohl nur zu schaffen, wenn die Auto-Industrie den Anteil der Elektroautos massiv hochfährt. Dafür müssten schon in elf Jahren auf Deutschlands Straßen 7 bis 10,5 Millionen E-Wagen und Hybridmodelle fahren, haben Experten berechnet. Zum Vergleich: Heute gibt es bei uns rund 47 Millionen Pkws. Der Wandel beim Antrieb hat Folgen für die Produktion und die Jobs. aktiv beantwortet wichtige Fragen.

Was ist beim Elektroauto anders als beim Benziner oder Diesel?

Vor allem die Antriebstechnik: Viele Teile sind beim E-Auto schlicht überflüssig - wie Anlasser, Einspritzsystem, Kurbelgehäuse, Tank oder Auspuff. „Ein Auto mit Verbrennungsmotor hat am Antriebsstrang Tausende Teile, ein E-Auto nur Hunderte – wir sprechen da vom Faktor zehn zu eins“, heißt es beim Automobilklub ADAC. Ein Elek- troauto hat im Unterschied zum Verbrenner eine große Batterie für den Antrieb. Und noch mehr Elektrik.

Wie viele Menschen arbeiten denn bei uns in der klassischen Antriebstechnik?

Die deutsche Auto-Industrie hat insgesamt rund 834.000 Mitarbeiter (311.000 davon bei den Zulieferern). Die Branche ist damit einer der bedeutendsten Industriezweige Deutschlands. „Mindestens die Hälfte der Beschäftigten arbeitet am Antriebsstrang“, heißt es im Branchenverband VDA in Berlin. Der Wandel betrifft also mehr als 400.000 Mitarbeiter.

Wie viele Jobs sind durch die E-Mobilität gefährdet?

Dazu gibt es inzwischen mehrere Berechnungen und Studien. So geht der VDA selbst davon aus, dass durch den Umstieg unterm Strich bundesweit rund 75.000 Arbeitsplätze entfallen werden. Eine Studie aus Baden-Württemberg hat die Auswirkungen speziell auf die Auto-Industrie im Südwesten untersucht: Demnach wären dort 18.500 bis 39.000 der insgesamt 470.000 Arbeitsplätze in der Branche betrofffen – je nachdem, wie schnell sich der Wandel tatsächlich vollzieht. Die umfassendste Studie stammt vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg: Würde der Anteil der Elektroautos an den deutschen Neuzulassungen bis 2035 auf 23 Prozent steigen, dann gingen bundesweit 83.000 Stellen im Fahrzeugbau verloren.

Also wird der Wandel nicht so brutal wie manchmal befürchtet?

IAB-Forscher Professor Enzo Weber, einer der Autoren der Studie, betont, dass viele der betroffenen Fachkräfte am Arbeitsmarkt schon heute knapp sind – und dass es mit dem demografischen Wandel „noch enger“ werde. Mit anderen Worten: Die Hersteller werden es sich wohl gleich dreimal überlegen, gute Leute einfach vor die Tür zu setzen. Beim Übergang zur E-Mobilität sei zudem eine längere Übergangsphase zu erwarten, unterstreicht Weber. Zugleich mahnt er: „Diese muss genutzt werden, um den Prozess möglichst ohne Entlassungen zu organisieren und auch intensiv in Qualifizierung zu investieren.“ Nun hat der VW-Konzern, der künftig ausschließlich auf das E-Auto setzen will, zwar gerade erst die Streichung von Tausenden Stellen in Deutschland angekündigt. Das betrifft aber vor allem die Verwaltung – und auf betriebsbedingte Kündigungen soll verzichtet werden.

Wie werden die Mitarbeiter auf die Veränderungen vorbereitet?

Durch Weiterbildung und Umschulung. „Wir werden neue Geschäftsfelder und Angebote entwickeln“, verspricht VDA-Präsident Bernhard Mattes, „und die Mitarbeiter weiterqualifizieren. Den Mechatroniker gab es früher ja auch nicht.“ Der Autozulieferer Bosch zum Beispiel bildet Beschäftigte zu Experten für E-Mobilität oder Software-Entwicklern weiter. VW macht weltweit Ingenieure und junge Facharbeiter fit für die vollelektrischen Modelle, die ab 2020 vom Band laufen werden. Und Audi qualifiziert alle angehenden Kfz-Mechatroniker für den Umgang mit Hochvolttechnik und vernetzten elektronischen Systemen im Auto.

Wie stehen eigentlich die deutschen Hersteller und ihre Zulieferer in Sachen E-Mobilität da?

Zurzeit haben ausländische Marken noch die Nase vorn – Stichwort Tesla. Doch die deutschen Hersteller haben längst zur Aufholjagd angesetzt! So investieren die heimischen Produzenten in den nächsten drei Jahren insgesamt 40 Milliarden Euro in alternative Antriebe, vorrangig in die E-Mobilität. Das Angebot an Stromern soll sich in diesem Zeitraum auf rund 100 Modelle verdreifachen. VDA-Präsident Mattes erklärt dazu: „Wir brauchen einen ‚E-Ruck‘ in Deutschland. Hier ist die Politik gefordert.“ Konkret mahnt er den zügigen Ausbau der Lade-Infrastruktur an.

Ist das E-Auto die einzige klimaschonende Option?

Es gibt Alternativen. Etwa das Wasserstoff-Auto, das seinen Strom selbst erzeugt und deshalb ohne den schweren Akku auskommt. Kürzlich hat Bosch angekündigt, in die Serienfertigung von Brennstoffzellen für ebendiese Fahrzeuge einzusteigen. Zudem wollen die deutschen Hersteller den Verbrauch ihrer Verbrennungsmotoren drücken. Und womöglich sind auch synthetische, klimaneutrale Kraftstoffe eine Option.