Wilhelmshaven. Es gibt kein Entrinnen! Er ist überall, er dringt in jede Ritze, er setzt sich sogar zwischen die Zähne, und wenn man denkt, man sei ihn endlich los, kommt er mit der nächsten Meeresbrise wieder angeflogen. René Eggers kennt seinen feinen Feind, er hat die letzten Monate damit zugebracht, ihn zu bekämpfen: „Scheiß Sand!“

Eggers, ein muskelbepackter Bud-Spencer-Verschnitt, ist Schienenmonteur, und sein Arbeitsplatz ist die größte Baustelle Deutschlands: der Jade-Weser- Port (JWP) in Wilhelmshaven.

Hier oben an der Nordseeküste entsteht derzeit Deutschlands erster Tiefwasserhafen. Das Milliardenprojekt, gestemmt von den Ländern Bremen und Niedersachsen sowie dem Hafenbetreiber Eurogate, soll zum wichtigen Handelsdrehkreuz der Exportnation Deutschland werden. Ende September soll der Betrieb starten.

Wo vor vier Jahren Touristen planschten, werden dann die größten Pötte der Welt festmachen. Mit 18 000 Containern an Bord!

Doch die Zeit drängt: Taucher entdeckten im Frühjahr über 200 Risse in der fast zwei Kilometer langen Kaimauer. Zwar laufen die Sanierungsmaßnahmen bereits, trotzdem wackelt der ohnehin bereits einmal verschobene Starttermin. Für alle Beteiligten bedeutet das: Monster-Stress am Mega-Hafen.

Video: aktiv unterwegs im Jade-Weser-Port

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Knochenjob an der Waterkant

Auch für René Eggers. Seit zehn Monaten verlegt er mit seinem Team Schienen für die Landungsbrücken auf der Kaimauer.

Ein Knochenjob, besonders hier am Meer: „Was wir an Sand aus den Schienenkanälen geschippt haben, ist unfassbar“, brüllt Eggers gegen den Lärm der Bohrschrauber, mit denen seine Kollegen armdicke Bolzen in stählerne Lamellen treiben.

Immer wieder hätten sich die Arbeiten verzögert. Dazu reichlich norddeutsches Schietwetter, „und bei Regen kann ich mit meinen Leuten eben keine Schienenfundamente gießen“, sagt der Hüne noch, bevor er wieder seinen mächtigen Drehmomentschlüssel packt und weitermalocht. „Keine Zeit zum Quatschen."

Die hat gerade niemand hier auf dieser gigantischen Baustelle. Während im trüben Nordseewasser vier Taucherteams gleichzeitig die Kaimauer nach weiteren Schäden absuchen, werden bereits gefundene Risse gerade abgedichtet. Baufahrzeuge lärmen, Hunderte von Arbeitern wuseln umher, es wird geschweißt, gehämmert, asphaltiert. Und viel gebrüllt.

Ein Sandberg, so hoch wie der Eiffelturm

Nur einer bleibt cool, äußerlich zumindest: Axel Kluth, Chef der Realisierungsgesellschaft des JWP, der Bauherr quasi. In einem weißen Allradfahrzeug hoppelt Kluth über die wüstenähnliche Baustelle. „Eigentlich ist das hier Deutschlands größter Sandkasten“, witzelt er.

Was er meint: An drei Seiten des Hafens schwappt die See, die 500 Fußballfelder große Fläche wurde Neptuns Reich abgetrotzt. „Dafür haben wir 46 Millionen Kubikmeter Sand aufgespült, ein Kegel hoch wie der Eiffelturm.“ 80 000 Kubikmeter Beton verbaut! 80 000 Tonnen Stahl! Und eine Million Steine!

Aufwendig, aber nötig. „Der Hafen reicht gut 600 Meter ins Meer hinein, nur so erreicht man an der Kaje die nötige Wassertiefe, damit auch die größten Containerschiffe voll beladen und unabhängig von den Gezeiten hier anlegen können“, so Kluth.

„Enorm wichtiges Infrastruktur-Angebot“

Neben der Nähe zum offenen Meer dürfte genau das  zum größten Trumpf des Jade-Weser-Ports werden. Dessen anvisierte Umschlagskapazität von knapp 3 Millionen Containern pro Jahr mutet im Vergleich zum Hamburger Hafen (13 Millionen) oder Bremerhaven (8 Millionen) auf den ersten Blick zwar bescheiden an. Aber: Auf den Weltmeeren nimmt die Zahl der Frachter mit großem Tiefgang immer mehr zu. Der Hafen Hamburg und der in Bremerhaven können diese modernen Dickschiffe aber wegen zu geringer Wassertiefe nur eingeschränkt oder gar nicht anlaufen.

Heißt: Ausgerechnet der Exportnation Deutschland fehlt bislang ein echter Tiefwasserhafen. „Der Jade-Weser-Port stellt aus deutscher Sicht deshalb ein enorm wichtiges Infra-struktur-Angebot dar“, betont Professor Thomas Straubhaar, Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts.

Wenn sie ihn denn endlich fertig bekommen. Zumindest Bauherr Kluth hegt daran keinen Zweifel. „Wir haben alles im Griff.“ Was er nach erfolgter Inbetriebnahme machen wird, weiß er auch schon. „Mein Handy von der Kaimauer schmeißen.“ In die Tiefe. In den Sand …

Der Jade-Weser-Port

Der neue Super-Hafen ist mit 18 Metern Wassertiefe konsequent auf die größten Containerschiffe der Welt ausgelegt. Die sind bis zu 400 Meter lang. Vier von ihnen können in Wilhelmshaven gleichzeitig festmachen. Neben 16 Landungsbrücken, die jeweils bis zu 25 Containerreihen abfertigen können, sollen 68 Van-Carrier und ein 16-gleisiger Güterbahnhof zukünftig einen jährlichen Umschlag von 2,7 Millionen Containern ermöglichen.