Wo kann man zeitraubende Tätigkeiten straffen, die Arbeit sicherer, schneller, einfacher machen? Justin Neus ist immer auf der Suche nach Optimierungsmöglichkeiten – momentan in der Abteilung Digitalisierung bei Hainbuch in Marbach am Neckar. Das mittelständische Familienunternehmen ist ein führender Hersteller von Lösungen zum Spannen, Rüsten, Messen und Automatisieren für die Fräs-, Dreh- und Schleifbearbeitung auf Werkzeugmaschinen.
Stolz zeigt Neus aktiv den Online-Shop, den er noch als Azubi mitaufgebaut hat. „Der Shop wird laufend aktualisiert und weiterentwickelt. Daran bin ich immer noch beteiligt“, berichtet er. Der 23-Jährige hat 2020 seine Ausbildung zum Industriekaufmann abgeschlossen und war anschließend im Bereich Online-Marketing. Nebenher machte er die Fachhochschulreife, um im Oktober 2023 ein duales Studium in „Digital Business Management“ zu starten.
Das Normteillager meldet automatisch, wenn etwas fehlt
Digital … was? „Es geht darum, wie man mithilfe von digitalen Tools und IT-Lösungen die Arbeit effizienter macht und die Mitarbeiter entlastet. Und zwar in allen Unternehmensbereichen“, erklärt Neus. Der Online-Shop etwa ist ein Bestellsystem, über das Standardbestellungen abgewickelt werden, ohne dass sie jemand in die Hand nehmen muss. Nach Auftragseingang laufen die Folgeprozesse in Verkauf und Fertigung automatisiert durch. Früher kamen die Bestellungen per E-Mail, wurden einzeln gelesen und die Daten händisch übertragen. Ein anderes Beispiel ist das Normteillager. Die Kisten sind mit Sendern ausgestattet. Läuft ein Teil leer, geht die Bedarfsmeldung direkt an den Lieferanten.
Aktuell arbeitet Neus an einer Software für ein Gerät mit, das die Spannkraft misst. So kann der Werker überprüfen, welche Spannkraft das Spannmittel bietet und gegebenenfalls Optimierungsmöglichkeiten finden. Schon jetzt hat Hainbuch sogar intelligente Spannmittel im Angebot. Die messen beim Spannen den Werkstückdurchmesser, die Spannkraft am Werkstück und die Werkstückanlage. Die Daten gehen direkt an die Maschinensteuerung. Fehler oder ein Spannkraftverlust werden dadurch gleich erkannt, und Ausschuss wird vermieden.
Für die Mitarbeiter geht es meist um reine Anwenderkenntnisse
Keine Frage: Solche Neuerungen wirken sich auf die Arbeitswelt aus – überall in der Industrie, ob in Entwicklung, Verwaltung oder Produktion. Immer weniger geschieht händisch, dafür immer mehr am Bildschirm. Persönliche Skills wie Flexibilität und Problemlösungskompetenz werden künftig verstärkt gebraucht, und auch grundlegende IT-Fähigkeiten, alles rund um Daten. Das ist das Ergebnis der sogenannten „Future Skills Studie 2030“, welche die Personalbedarfe der kommenden Jahre genauer untersucht.
Müssen wir denn jetzt alle programmieren lernen? „Davor muss keiner Angst haben“, beruhigt Stefan Baron. Er ist Geschäftsführer der AgenturQ, die die Studie in Auftrag gegeben hat. Diese Initiative von IG Metall und Arbeitgebern der M+E-Branche beschäftigt sich mit Weiterbildung in der Industrie. Baron weiß: „Für die meisten Beschäftigten geht es um reine Anwenderkenntnisse, die man sich leicht in Schulungen oder on the Job aneignen kann. Manchmal merken die Mitarbeiter gar nicht, dass sie sich faktisch weiterbilden, weil es im Arbeitsalltag so nebenher passiert.“
Schlussendlich profitieren alle davon: der Betrieb, die Beschäftigten und auch die Kunden. Etwa weil die digitale Prozesskontrolle der smarten Spannmittel bei Hainbuch Fehler frühzeitig erkennt. Oder weil die Vertriebler das Gros der Bestellungen gar nicht mehr bearbeiten müssen. Die eingesparte Zeit können sie ganz den Kunden widmen, die individuelle Lösungen brauchen.
So verändert die Transformation die Arbeit
Welche Fähigkeiten künftig verstärkt gebraucht werden und vor welchen Herausforderungen die Industrie steht, erklären die Experten Henry Goecke vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln und Stefan Baron, Geschäftsführer der AgenturQ in Stuttgart im folgenden Video:
Was kann ich schon und was muss ich noch lernen?
Wo man selbst in puncto Digitalisierung steht, lässt sich mit zwei Online-Tools der AgenturQ herausfinden:
- Mit DigiREADY kann man sich zunächst einmal grundsätzlich verorten.
- Der AiKomPass hilft Büro- und auch Produktionsmitarbeitern bei einer detaillierteren Bestandsaufnahme der eigenen Kenntnisse. Und er zeigt mögliche Wege einer sinnvollen Weiterentwicklung.
Das damit erstellte Profil dient als Ausgangsbasis für Qualifizierungsgespräche mit der Führungskraft, für die Arbeitssuche, für Bewerbungen oder auch für die Suche nach geeigneten Weiterbildungsangeboten.

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.
Alle Beiträge der Autorin