Nürnberg. Heimat- und Sachunterricht! Puh, wie das schon klingt, nach ausgestopften Eichhörnchen. Bloß: Von Langeweile ist in der Klasse 3b der Nürnberger Friedrich-Staedtler-Grundschule gerade so gar keine Spur.

Es ist halb zehn, dritte Stunde, als Maya und Max vor die Klasse treten, mit einem Tablet-Computer in der Hand. Ihr Thema: Silvester. „Warum zündet man da eigentlich Knaller?“, fragt Max in die Klasse.

Dann starten die zwei ihre Multimedia-Präsentation, ein Feuerwerk aus Bildern, Texten und Ton. Von den Achtjährigen selbst erstellt – mit ihren Tablets! „Die sind für uns mittlerweile ein völlig normales Unterrichtsgerät“, sagt Verena Knoblauch, die Lehrerin. „So wie Lineal oder Schere.“

Tablets im Unterricht – normal? In dieser Klasse mag das stimmen. Doch während die Digitalisierung ansonsten unser gesamtes Leben umwälzt, sind die Schulen eine Welt von bröseliger Kreide und müffelndem Tafelschwamm. Unter 19 Industrieländern, die das renommierte Bildungsforscher-Netzwerk IEA in einer Studie verglichen hat, liegen wir beim Einsatz digitaler Medien quer durch alle Jahrgangsstufen auf – Platz 19! Schon die Ausstattung ist mies, statistisch gesehen drängeln sich zwölf Schüler um einen Computer.

Die Quittung: Ein Drittel aller Achtklässler hat laut Studie nur geringe Kenntnisse im Umgang mit digitalen Medien. „Diese Jugendlichen werden es zukünftig schwer haben, erfolgreich am privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Leben teilzuhaben“, mahnt die Paderborner Erziehungswissenschaftlerin Professor Birgit Eickelmann. Und auch die Wirtschaft schlägt Alarm: „Mit der digitalen Transformation wird es in Zukunft kaum einen Arbeitsplatz geben, der nicht von IT durchdrungen ist“, sagt Franz Fehrenbach, Aufsichtsratschef des Technikriesen Bosch.

Wenn unsere Schulen den Nachwuchs also nicht ausreichend auf die Welt von morgen vorbereiten – wie soll das alles dann gut gehen?

Immerhin, die Politik hat das Thema jetzt auf dem Schirm. Es ist bisher nur eine Absichtserklärung, geflossen ist noch kein einziger Cent, aber: Mit 5 Milliarden Euro will Bildungsministerin Johanna Wanka bis zum Jahr 2021 alle bundesweit 40.000 Schulen digital aufrüsten.

Anfangs gab es kritische Stimmen unter den Eltern

In Nürnberg, in der Schule von Maya und Max, ist man da schon weiter. Seit Sommer 2015 arbeiten dort zwei Klassen mit Tablets. Jedes Kind hat ein eigenes Gerät, nach dem Unterricht wandern die Flachrechner in einen Ladeschrank im Klassenraum. Lehrerin Verena Knoblauch mag die digitalen Helferlein nicht mehr missen. „Sie bereichern den Unterricht, eröffnen mir ganz neue Möglichkeiten.“

Die Kinder arbeiten hier mit kindgerechten Suchmaschinen, vertiefen Mathe und Deutsch mit Lern-Apps. Oder sie nutzen die Kamera-Funktion der Tablets – um eigene Bildergeschichten zu produzieren und selbst zu vertonen.

Sie sind mit Feuereifer dabei. „Die motivierende Wirkung der Tablets“, so Knoblauch, „ist einfach beeindruckend.“

Wissenschaftler geben der Pädagogin hier recht. „Tablets ermöglichen im Unterricht ein Höchstmaß an individueller Förderung“, sagt etwa der Bremer Bildungsforscher Professor Andreas Breiter. „Sie machen Lerninhalte für die Schüler ganz anders erfahrbar. Das eröffnet im Unterricht Möglichkeiten, die es früher einfach nicht gab.“

Klar: „Es gab unter den Eltern anfangs auch ein paar kritische Stimmen“, erinnert sich Lehrerin Knoblauch. Ob die Kinder denn jetzt auch schon in der Grundschule anfangen müssten, auf Tablets rumzuwischen. In solcherlei Debatten gern angeführt: der Ulmer Hirnforscher und Anti-Digitalisierungs-Eiferer Professor Manfred Spitzer. Über Tablets beispielsweise spricht er in Talkshows in einem Tonfall, in dem andere über Fußpilz reden. Sein Glaubenssatz, für Kinder wie auch für Erwachsene, lautet: Digitale Medien machen blöd.

So tickt auch Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands. „In Grundschulen“, verkündet er in bester Oberlehrermanier, „hat ein Computer nichts zu suchen.“ Ob der Mann schon mal in Großbritannien vorbeigeschaut hat? Da gibt es schon seit Jahren das Pflichtfach „Computing“. Schon für Fünfjährige!

Und bei uns, im Heimatland von Computer-Erfinder Konrad Zuse, soll das Thema Digitalisierung nichts mit Schule zu schaffen haben?

Schreiben mit der Hand – das bleibt

Bildungsforscher Andreas Breiter rollt angesichts solcher Denkblockaden verbal mit den Augen. „Keine Computer an Grundschulen? Das ist Unfug!“ Schule habe doch die Pflicht, allen Kindern Digital-Kompetenz zu vermitteln.

Und er betont: Sie würden dadurch nicht zum Daddeln verleitet. Das Gegenteil sei der Fall. „Gerade der kritische Gebrauch von elektronischen Medien ist wichtig. Das lernen die Kids im Zweifel besser in der Schule, als wenn sie sich zu Hause in ihrem Zimmer verkriechen.“

Grundschullehrerin Knoblauch jedenfalls hält die Kritik an digitalen Medien für müßig. „Wir sind weder zur papierlosen Klasse geworden noch haben wir das Schreiben mit der Hand abgeschafft.“ Das sei auch nie das Ziel gewesen. „Wir benutzen die Tablets einfach immer dann, wenn sie sinnvoll sind.“ In der Elternschaft habe sich die Skepsis schnell gelegt. „Die Eltern sehen die Ergebnisse. Und die sprechen für sich.“

Die Wirklichkeit ist eben schon weiter als so manche bildungspolitische Debatte. Und die achtjährige Nina bringt das auf den Punkt. Im Klassenraum der 3b lässt sie gerade die Finger über den Bildschirm fliegen. Das soll falsch sein? „Versteh ich gar nicht“, sagt sie. „Wir machen damit doch richtig kluge Sachen!“

Von Mathe bis Deutsch: Die besten Apps fürs digitale Lernen

Foto: Screenshot
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  • FragFINN: Sehr ordentliche Kindersuchmaschine, die nur von Medienpädagogen geprüfte Websites anzeigt. Für Android und Apple, kostenlos.
  • Antolin Lesespiele: Trainiert spielerisch die Lesefähigkeit. Für verschiedene Altersstufen erhältlich. Für Android und Apple, etwa 3 Euro.
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