Stuttgart. Die Welt verändert sich rasant. In unsere Wohnungen halten Staubsauger-Roboter Einzug, auf den Straßen steigt die Zahl der Elektroautos. Und an unseren Arbeitsplätzen werden Maschinen vernetzt und neue digitale Produkte entwickelt. Dieser Wandel stellt die Metall- und Elektro-Industrie auf eine harte Probe: Trotz Konjunkturschwäche muss die Branche jetzt massiv in neue Technologien investieren.
Laut Digitalisierungsindex der Deutschen Telekom ist es für 42 Prozent der Unternehmen eine echte Herausforderung, die Kosten der Digitalisierung zu schultern.
Was in Industriebetrieben vor allem Kopfzerbrechen bereitet, ist die Höhe der nötigen Investitionen: Für 42 Prozent der Unternehmen in Deutschland sind die Kosten eine Herausforderung. Das ergab der neueste Digitalisierungsindex der Deutschen Telekom.
Autohersteller und Zulieferer erleben eine Revolution auf mehreren Ebenen
Mit besonders großen Herausforderungen haben die Automobil-Hersteller und ihre Zulieferer zu kämpfen: Sie haben neben der Digitalisierung noch weitere Transformationsprozesse zu stemmen.


Es geht um Elektromobilität und alternative Antriebsformen, autonomes Fahren und neue Mobilitätslösungen. So teuer die Digitalisierung ist, so unverzichtbar ist sie für die Unternehmen. Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) rechnet vor, was auf dem Spiel steht.
Es gibt für die Unternehmen viel zu verlieren
Wenn die Wirtschaft die digitale Transformation verpasst, drohen in Europa bis zum Jahr 2025 Wertschöpfungseinbußen von 605 Milliarden Euro! Aber im gleichen Zeitraum seien auch riesige Gewinne drin, wenn die Chancen der Digitalisierung genutzt werden: nämlich 1,25 Billionen Euro mehr industrielle Bruttowertschöpfung, schätzen die Autoren der Studie.
In Zukunftstechnologien zu investieren, das könne in vielen betrieblichen Situationen nur mit Unterstützung der Belegschaften gelingen, gibt Peer-Michael Dick zu bedenken, der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Südwestmetall.
So fiel jüngst beim Autohersteller Daimler in Stuttgart die Entscheidung, Teile des Antriebsstrangs für E-Autos im Stammwerk Stuttgart-Untertürkheim zu fertigen. Die dafür nötigen Investitionen kann das Unternehmen stemmen, weil die Belegschaft bereit ist, Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit mitzutragen.
Mit den Herausforderungen sind auch Chancen verbunden
Frank Deiß, der für den Standort verantwortlich ist, sagt: „Ich freue mich, dass wir uns nach intensiven Gesprächen mit dem Betriebsrat auf zukunftsfähige Rahmenbedingungen einigen konnten.“
Für Südwestmetall-Geschäftsführer Dick zeigt dieses Beispiel, „dass die aktuelle Transformation bei aller Herausforderung auch Chancen bietet, die beherzt ergriffen werden können“.
aktiv hat sich umgeschaut, was Betriebe in Baden-Württemberg noch alles stemmen.
So hat das Maschinenbau-Unternehmen Chiron in Neuhausen ob Eck fast 35 Millionen Euro in eine hochmoderne Fabrik investiert, die Standards für das digitale Zeitalter setzt. Bei der Ausstattung haben IT-Experten und Produktionsplaner alle Register gezogen, um eine hohe Produktivität sicherzustellen.
Neue Technologien erfordern auch neue Qualifikationen
Hier wird mit digitalen Montagemappen gearbeitet, die Logistikbuchungen funktionieren berührungslos, der Auslieferungszustand der Maschinen wird mit einem digitalen Fingerabdruck dokumentiert. Diese „Precision Factory“, eröffnet im vergangenen Oktober, ist sogar die größte Einzelinvestition in der fast 100-jährigen Geschichte des Unternehmens.
Und wo neue Technologien sind, werden auch neue Qualifikationen benötigt. Markus Flik, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Chiron, verdeutlicht: „In den letzten Jahren haben wir auch gezielt in die Weiterqualifizierung unserer Fachkräfte investiert.“
Der Verpackungsmaschinen-Hersteller Optima in Schwäbisch Hall hat bereits im Jahr 2018 eine zentrale Abteilung geschaffen, um alle Kompetenzen zum Thema Digitalisierung zu bündeln. Denn sie ist hier für fast alle Unternehmensbereiche seit vielen Jahren ein etablierter und ständig wachsender Bereich.
Völlig andere Produkte, komplett neue Fabriken
In der neuen Abteilung „Industrial IT“ werden bei Optima unter anderem digitale Lösungen für die Kunden entwickelt – die Anwender können sich zum Beispiel Informationen über den Zustand ihrer Maschine auf einer Augmented-Reality-Brille anzeigen lassen.
Jürgen Rothbauer, Geschäftsführer der Pharma-Division, verdeutlicht: „Die Digitalisierung ist mittlerweile ein elementarer Bestandteil für die Zukunft. Ohne sie geht es nicht mehr.“ Deshalb hat Optima zusammen mit weiteren Betrieben auch ein regionales Netzwerk ins Leben gerufen, um den digitalen Wissenstransfer in der Region weiter voranzutreiben.
Der Hausgeräte-Hersteller BSH in Giengen investiert derzeit einen zweistelligen Millionenbetrag, unter anderem in eine neue, vernetzte Montagelinie für Einbau-Kühlschränke, die Ende dieses Jahres in Betrieb gehen soll. Geplant ist auch ein fahrerloses Transportsystem für die Fertigung.
Wachsende Anforderungen im Bereich IT-Sicherheit
Neben den Investitionskosten ist auch die Gewährleistung der IT-Sicherheit für die Unternehmen eine große Herausforderung - die ebenfalls hohe Kosten verursacht. Denn zigtausendfach werden jeden Tag Unternehmen von Internet-Kriminellen angegriffen. Im Herbst traf es etwa die Pilz-Gruppe aus Ostfildern, Spezialist für Automatisierungstechnik: Der Hacker-Angriff legte das Unternehmen lahm, sämtliche Netzwerke und Server mussten abgeschaltet werden.
Susanne Kunschert, geschäftsführende Gesellschafterin, sieht im Bereich IT-Sicherheit große Herausforderungen für die Wirtschaft: „Unternehmen, Verbände, Behörden und Politik müssen künftig noch stärker zusammenarbeiten, damit anderen Unternehmen und Einrichtungen unsere Erfahrungen erspart bleiben.“
Laut BDI verursachten Spionage, Sabotage und Datendiebstahl der deutschen Wirtschaft in den letzten zwei Jahren einen Schaden von fast 206 Milliarden Euro.