Hannover. Früher genoss hier die Königsfamilie den Sommer, heute wird im Schloss Herrenhausen, das erst lange nach dem Krieg wiederaufgebaut wurde, über Wirtschaft diskutiert – wie jedes Mal beim Arbeitgeberforum, das seit 2013 jährlich stattfindet und immer mehr Teilnehmer anlockt. Diesmal waren 350 Unternehmer, Führungskräfte und Experten aus Niedersachsen und von weiter her gekommen, um in Sachen Digitalisierung Know-how zu tanken: „Die Zukunft ist digital – Wir gestalten den Wandel“, so das Thema der Veranstaltung der Arbeitgeberverbände.

In zehn Fachforen gaben Referenten Antwort auf viele Fragen, von A wie Arbeitsrecht über K wie Kommunikation bis hin zu S wie Sozialpartnerschaft. Dabei kristallisierte sich heraus: Die Digitalisierung macht den Menschen in der Fabrik noch wichtiger.

Chefs, die mehr vertrauen statt kontrollieren

„Wir müssen die Mitarbeiter mitnehmen“, betonte Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt schon bei der Begrüßung. Das sei besonders angesichts des Fachkräftemangels und der alternden Gesellschaft wichtig.

Auch der Impulsvortrag von Sebastian Purps-Pardigol hob das hervor. Der Coach und Bestseller-Autor („Digitalisieren mit Hirn“) belegte mit Erkenntnissen und Beispielen aus seinen Studien, wie digitaler Wandel in Unternehmen erfolgreich funktioniert. Den Königsweg gebe es nicht, verschiedene Firmen gingen verschiedene Wege bei der Digitalisierung. Unabdingbar sei aber ein Kulturwandel. Führungskräfte sollten mehr vertrauen als kontrollieren.

Mitarbeiter-Idee beschert Millionen-Umsätze

Beispiel CEWE: Einen bedeutsamen Anteil am Überleben des Unternehmens, als das analoge Kerngeschäft wegbrach, hat das aus der TV-Werbung bekannte Fotobuch. Dahinter steckt eine Mitarbeiter-Idee, die der damalige Chef unnötig fand. Sie aber bescherte dem Unternehmen Millionen-Umsätze.

Beispiel Otto Group: Das Unternehmen hat Otto Now auf den Markt gebracht, eine Mietmodell für Haushaltsgeräte. Das kam weder vom Vorstand, noch von einer schlauen Strategieabteilung.

Dafür sei allerdings etwas Demut bei den Chefs nötig, berichtet der Buchautor. Eine Studie des US-Professors Bradley Owens weise nach, dass Chefs mit solchen demütigen Eigenschaften besonders loyale Teams hätten, die überdurchschnittliche Leistungen erbrächten. Das Fazit des Experten: Je stärker ein Unternehmen sich digitalisiert, desto mehr Aufmerksamkeit erfordere das Thema Menschlichkeit.

„Ich bekam Antwort auf Fragen, vor denen ich aktuell im Job stehe“

Diese Aussage machte Eindruck auf die Teilnehmer des Forums. „Mich hat überrascht, wie sehr es bei der Digitalisierung auf den Menschen ankommt“, resümierte Karsten Quindt. Der Gesellschafter und Konstruktionsleiter des Maschinenspezialisten Segler aus Berge findet, Impulsvortrag und Fachforen hätten eine Menge Infos gebracht.

Personalreferent Tim Stegemann von der Erwin Müller GmbH war beeindruckt von der Themenvielfalt des Forums: „Es fiel mir schwer, mich nur für zwei Fachforen anzumelden.“ Und Katrin Feuerabendt vom Touristikkonzern Tui freute sich über die Erfahrungsberichte, die es zu hören gab. „Zudem bekam ich Antwort auf Fragen, vor denen ich aktuell im meinem Beruf stehe“, berichtet sie. „Das war super.“

Auf dem Weg zu Industrie 4.0

Niedersachsens Unternehmen sind aufgeschlossen für Industrie 4.0. Genau 62 Prozent der Firmen mit über 500 Beschäftigten haben sich bereits mit Industrie 4.0 beschäftigt. Weniger sind es allerdings im Mittelstand. Bei Firmen mit 100 bis 499 Beschäftigten ging ein knappes Viertel das Thema an.