Fulda. Bereitwillig posiert Sabrina Scharf mit einer seltsamen Brille. Für die Personalchefin von MeillerGHP, einem Spezialisten für Kundenkommunikation, ist der Ausflug in die virtuelle Realität per VR-Brille schon lange nichts Ungewöhnliches mehr. „Unsere Kunden können, wo auch immer in der Welt, mit so einer Brille beispielsweise anschauen, wie unser Unternehmen im bayerischen Schwandorf funktioniert und wie wir individualisierte Werbebotschaften produzieren“, erläutert Scharf.

Weiterbildung wird noch wichtiger

Dank Digitalisierung hat sich das Unternehmen von einer Druckerei zum Dienstleister entwickelt, verarbeitet gewaltige Datenfluten. „Zum Steuern der komplexen Anlagen brauchen wir mehr digitale Allrounder“, so die Personalchefin.

Bei MeillerGHP hat man die Zukunft offenbar fest im Blick – und Scharfs Vortrag ist ein Höhepunkt bei der Expertentagung über „Digitalisierung als Herausforderung für die Aus- und Weiterbildung“, zu der der Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) eingeladen hat. Rund 50 Personalprofis sind dafür ins Kongresszentrum Fulda gekommen.

Was sie schließlich als eine Art Fazit der Experten mitnehmen können: Auch in Zukunft werden Menschen Arbeit haben, auch in der Industrie – wenn sie denn offen sind für Veränderungen und sich noch besser als bisher weiterbilden. Nur so lässt sich mit dem Wandel durch immer mehr Bits und Bytes in den Betrieben Schritt halten.

Für Mitarbeiter wie für Unternehmen ist das eine echte Herausforderung. „Viele betriebliche Prozesse haben sich in der Vergangenheit schon verändert. Und sie werden sich eben auch weiter verändern“, sagt dazu Michael Beidermühle, Vorsitzender des HPV-Bildungsausschusses und Personalchef des Folienspezialisten Bischof und Klein (Lengerich).

Die gute Nachricht: „Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass Arbeitsplätze – anders als in US-amerikanischen Studien prognostiziert – nicht zwingend wegfallen, sondern sich eher stark verändern.“ Das betont Marco Weißler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (Frankfurt). Daraus ergebe sich eben der deutlich steigende Weiterbildungsbedarf.

Heike Krämer vom Bundesinstitut für Berufsbildung (Bonn) konstatiert ein Problem bei der Ausbildung: Die oft Jahre dauernde offizielle Überarbeitung der Berufsbilder könne mit dem schnellen Wandel gar nicht mithalten – ein Dilemma.

Die Digitalisierungsexperten Henrik Kehren (Kehren + Partner, Hannover) und Detlev Tschentscher (Thinforest solutions, Köln) wiederum fordern dazu auf, freier zu denken. Auch ungewöhnliche Wege zu gehen. Und das bitte: schnell!

Apple hat Pizzakarton entwickelt

Ihre teils provokanten Aussagen führen, durchaus gewollt, zu munteren Diskussionen darüber, ob die Branche womöglich noch etwas zu langsam tickt fürs digitale Zeitalter. Als mahnende Beispiele nennen die Experten IT-Größen: Niemand hätte wohl früher erwartet, so Kehren, dass der Internet-Konzern Google mal an einem selbstfahrenden Auto arbeiten würde – oder das Hightech-Unternehmen Apple einen Pizzakarton entwickeln würde, in dem die Pizza schön knackig bleibt.

Viel Stoff zum Nachdenken also. Nach dieser ersten HPV-Tagung zu Fragen der fortschreitenden Digitalisierung sind weitere ähnliche Veranstaltungen geplant, um aktuelle Themen branchenspezifisch aufzugreifen.