Der Schienenverkehr kommt – und wie! Die Züge werden immer schneller und die Bauprojekte immer spektakulärer. In den 1960er-Jahren war der japanische Hochgeschwindigkeitsexpress Shinkansen mit einem Spitzentempo von 220 noch der schnellste Express der Welt. Inzwischen rasen ICE, TGV und Co. mit mehr als 300 Sachen durch die Lande – und ein Ende des Temporauschs ist nicht in Sicht.
Dabei hat das System Schiene weit mehr zu bieten als nur Geschwindigkeitsrekorde. Das zeigt ein Blick auf die aktuellen Bauprojekte. Ob höchstgelegene Zugstrecke, größte Metro-Station, längster Tunnel oder gigantischste Brücke: Der Schienenverkehr fährt Jahr für Jahr neue Rekorde ein.
In der folgenden Bilderstrecke zeigen wir Ihnen zehn gigantische Bauprojekte:
Crossrail in London: Europas größte Baustelle
In London wird seit 2010 kräftig gebuddelt: Das Projekt Crossrail soll die britische Hauptstadt vor dem Verkehrskollaps bewahren. Derzeit sind mehr als 10.000 Arbeiter damit beschäftigt, eine 118 Kilometer lange Expresszugstrecke vom Umland quer durch die Metropole zu bauen. Es ist die größte Baustelle Europas und dürfte nach Fertigstellung eine der längsten innerstädtischen Regionalexpresslinien der Welt sein. Kernstück ist ein 21 Kilometer langer Eisenbahntunnel zwischen den Bahnhöfen Paddington im Westen von London und Stratford im Osten der Stadt, einschließlich fünf neuer Bahnhöfe. Zum Teil verläuft die neue Trasse eng an bereits existierenden U-Bahn-Röhren, Kanalrohren und Stromleitungen entlang. In der Rush-Hour sollen auf dem innerstädtischen Abschnitt bis zu 24 Züge pro Stunde fahren. Pro Jahr werden 200 Millionen Fahrgäste erwartet. Um das Aufkommen zu bewältigen, sind die bestellten Regionalexpresszüge 200 Meter lang und schaffen ein Spitzentempo von 160 Stundenkilometern. Die Tunnelbohrungen sind inzwischen abgeschlossen. Bis 2019 soll die Mega-Linie Zug um Zug in Betrieb gehen. Die gesamten Baukosten belaufen sich nach derzeitiger Planung auf rund 18 Milliarden Euro.
Marmaray-Tunnel in Istanbul: Tiefste Meeresquerung unter Wasser
Er ist 1,4 Kilometer lang, liegt auf dem Grund des Bosporus und verläuft 62 Meter unter der Wasseroberfläche: Der Marmaray-Tunnel in der Meeresenge zwischen dem europäischen und asiatischen Teil von Istanbul ist die tiefste Schienenquerung unter Wasser weltweit. Die Betonröhre für die insgesamt 13,6 Kilometer lange S-Bahnstrecke wurde vor zwei Jahren eröffnet. Rund 4,5 Milliarden Dollar hat sie gekostet. Der Tunnel, durch den in Zukunft auch Fernzüge fahren sollen, hält nach Angaben der Ingenieure auch schwerste Erdbeben aus. Und Istanbul baut weiter: neben einer dritten Autobahnbrücke über den Bosporus auch einen weiteren Tunnel. Der soll dreistöckig werden. Im „Zwischengeschoss“ der 6,5 Kilometer langen Röhre soll die U-Bahn fahren. Kostenpunkt des Groß-Projekts in der 15-Millionen-Einwohner-Metropole: 3,5 Milliarden Euro. Schon im Jahr 2020 soll der Verkehr rollen.
Gotthard-Basistunnel: Längster Eisenbahntunnel der Welt (ab 2016)
Nach seiner Fertigstellung im Jahr 2016 wird der Gotthard-Basistunnel in der Schweiz der längste Eisenbahntunnel der Welt sein. Dann werden Züge mit einer Geschwindigkeit von bis zu 250 Stundenkilometern durch die Röhre rasen – 57 Kilometer mitten durch die Schweizer Alpen. Eine Strecke, hineingebohrt durch Zweitausender- und Dreitausender-Berge. Es ist der spektakulärste menschengemachte Weg, um die Alpen zu queren. Statt sich wie bislang auf 1.000 Meter Höhe quälen zu müssen, werden dann Personen- und vor allem Güterzüge fast ohne Steigung das Gotthard-Massiv durchqueren können, von Erstfeld im Norden bis Bodio im Tessin. Mit dem neuen Eisenbahntunnel wird die Kapazität des jährlichen Schienengüterverkehrs von 20 Millionen auf 50 Millionen Tonnen mehr als verdoppelt. Und die Reisezeiten verkürzen sich drastisch: Fernzüge sind dann zwischen Zürich und Mailand nur noch 2 Stunden und 40 Minuten unterwegs – zwei Stunden weniger als bisher. Die geschätzten Baukosten: mehr als 10 Milliarden Euro. AKTIV hat auf einer Testfahrt durch den Gotthard-Basistunnel einen Film gedreht.
Brenner-Tunnel: Längster Eisenbahntunnel der Welt (etwa ab 2026)
Von Innsbruck bis nach Südtirol: Österreich und Italien bauen einen Bahntunnel, der etwa ab dem Jahr 2026 sogar den Gotthard-Tunnel übertrumpfen wird. Der Brennerbasistunnel soll auf einer Länge von 64 Kilometern den Brenner zwischen Innsbruck nördlich der Alpen und Franzensfeste im italienischen Südtirol unterqueren. Personenzüge können dann mit bis zu 250 Sachen durch die Röhre rasen. Was zu deutlich kürzeren Fahrzeiten führt: Der ICE zwischen München und Verona wird nur noch drei Stunden statt aktuell fünfeinhalb Stunden benötigen. Der Tunnel wird aber nicht nur Personenzüge schneller machen. Sondern auch die Brennerautobahn vom Schwerlastverkehr entlasten. Künftig werden Güterzüge mit bis zu Tempo 150 durch den Tunnel brausen. 8,5 Milliarden Euro sind für die unterirdische Bahnverbindung quer durchs Gebirgsgestein veranschlagt. Deutschland will bis zur Eröffnung die nördliche Zulaufstrecke auf deutscher Seite ausbauen. Das Milliardenprojekt wird jeweils zur Hälfte von der Europäischen Union sowie von Österreich und Italien finanziert.
U-Bahn in Dubai: Größte U-Bahnstation der Welt
Der Wüstenstaat Dubai hat zahlreiche spektakuläre Bauten – etwa dieses bronzefarbene, futuristische Ding: Darunter befindet sich der flächenmäßig größte U-Bahnhof der Welt. Die Station „Union Square“ ist 18 Meter tief und hat drei Etagen, die jeweils 230 Meter lang und 50 Meter breit sind. Die Gesamtfläche beträgt insgesamt 25.000 Quadratmeter. Die neue U-Bahn von Dubai ist das längste vollkommen automatisierte Metro-Netz der Welt. Und: Sie hat drei Klassen. Die erste Klasse („Golden Class“) verfügt über eine luxuriöse Inneneinrichtung mit Ledersesseln. Zudem gibt es eine eigene Klasse exklusiv für Frauen und Kinder mit viel Platz für Kinderwagen und Taschen. 2009 wurde der erste Strecken-Abschnitt, die sogenannte „Rote Linie“, eröffnet. Wegen der permanenten Verkehrsstaus baut Dubai seine Metro weiter aus: 2030 soll das Streckennetz 420 Kilometer umfassen.
Zwischen Moskau und Peking: Längste Schnellzugstrecke der Welt (in Planung)
Derzeit dauert eine Bahnfahrt zwischen Moskau und Peking sechs Tage. Das wollen China und Russland ändern: es gibt Überlegungen für eine Schnellzugstrecke, die die Fahrzeit auf weniger als zwei Tage drücken würde. Die mehr als 7.000 Kilometer lange Trasse wäre die längste Schnellzugverbindung der Welt. Heute fahren pro Woche zwei Züge auf der 1954 eröffneten Direktverbindung zwischen beiden Hauptstädten. Dabei rollen die Züge über die Strecke der transsibirischen Eisenbahn, die sich im Osten gabelt: Eine Trasse führt weiter in die russische Pazifikmetropole Wladiwostok, die andere über die mongolische Hauptstadt Ulan Bator in Richtung Süden nach China. In nur fünf Jahren könnte das Projekt fertiggestellt werden, schrieb die „Beijing Times“ unter Berufung auf den Eisenbahnexperten Wang Mengshu. Die gesamte Strecke würde rund 230 Milliarden Dollar kosten.
Chenab-Brücke im Himalaja: Höchste Eisenbahnbrücke der Welt
Sie wird 35 Meter höher als der Pariser Eiffelturm: Indien zieht im Himalaja einen Superlativ hoch – hier entsteht die höchste Eisenbahnbrücke der Welt. Das gewaltige Bauwerk soll 1.263 Meter lang und 359 Meter hoch werden. Und 2016 fertig sein. Ursprünglich sollte die Chenab-Brücke über dem gleichnamigen Grenzfluss zwischen Indien und Pakistan bereits Ende 2009 eröffnet werden. Doch weil die Fundamente an den Hängen abzurutschen drohten, wurde der Termin verschoben. Die Kosten für das Projekt, das von einer Tochtergesellschaft der staatlichen Indian Railways betrieben wird, betragen laut Planungsgesellschaft lediglich 92 Millionen Dollar. Schon jetzt bezeichnen indische Zeitungen das Bauwerk als technisches Meisterwerk. Es übertrifft deutlich die bislang weltweit höchste Eisenbahnbrücke über den Fluss Beipanjiang in der chinesischen Provinz Guizhou: Das 2001 eröffnete Bauwerk ist „nur“ 275 Meter hoch.
Japans Magnetbahn Maglev: Schnellster Zug der Welt
Das ist kein Zug, sondern ein Geschoss! Die japanische Magnetschwebebahn Maglev ist im April 2015 auf einer Teststrecke mit 603 Sachen gerast – Rekord. Die Zugfahrt sei gerade beim superschnellen Tempo besonders „komfortabel“ gewesen, meinte der Leiter des Testzentrums in der Provinz Yamanashi, Kazuyasu Endo. Der Weltrekord wurde in einem Tunnel aufgestellt. Rund zehn Sekunden lang donnerte der Zug oberhalb der magischen Grenze von 600 Kilometern in der Stunde durch die Röhre. Die Magnetschwebebahn soll 2027 Tokio mit der Industriestadt Nagoya verbinden – allerdings „nur“ mit einer Spitzengeschwindigkeit von 500 Stundenkilometern. Und bis 2045 soll die Strecke bis zur Millionenstadt Osaka verlängert werden. Das ist keine Utopie: Letztes Jahr wurden die Bauarbeiten aufgenommen. Die Kosten sind allerdings auch „spitze“: So betragen allein für die Verbindung nach Nagoya 94 Milliarden Euro. Denn das Gros der 286 Kilometer langen Strecke soll in Tunneln verlaufen.
In der indischen Stadt Gorakhpur: Längster Bahnsteig der Welt
Indiens Eisenbahnen sind oft hoffnungslos überfüllt: Um Platz für längere Züge zu schaffen, hat die für indische Verhältnisse eher kleine Stadt Gorakhpur im Norden des Landes im Herbst 2013 den längsten Bahnsteig der Welt gebaut. Er misst 1.355 Meter. Und ist damit noch länger als der im indischen Kharagpur (1.072 Meter) und in Chicago in den USA (1.067 Meter). In Indien gibt es rund 50 Städte mit mehr als einer Million Einwohnern – doch Gorakhpur braucht als Zentrum der nordöstlichen Eisenbahn und wichtiger Knotenpunkt einen besonders langen Bahnsteig. Hier können zwei Züge mit jeweils 26 Waggons hintereinander halten.
Von Lhasa nach Shigatse: Höchstgelegene Eisenbahn der Welt
Eine spektakuläre Bahnstrecke auf 4.000 Metern verbindet seit 2014 Lhasa und Shigatse. Chinesische Medien und Tourismuswerber rühmen die weltweit höchstgelegene Verbindung als „Himmelsbahn“. Die 253 Kilometer lange Trasse führt auf bis zu 4.000 Höhenmetern von der tibetischen Hauptstadt zur im Westen gelegenen Stadt Shigatse. Das 1,2 Milliarden Euro teure Projekt wurde erst im September 2010 gestartet. Die Bahn durchquert das 90 Kilometer lange Yarlung-Zangbo-Tal und fährt durch 29 Tunnel, darunter eine gut zehn Kilometer lange Röhre, die auf 3.850 Metern Höhe gegraben wurde. Und China baut das Gleisnetz in Tibet weiter aus: Im letzten Jahr begannen die Arbeiten für eine 3,7 Milliarden Euro teure Strecke in das von Lhasa 433 Kilometer entfernte südöstliche Nyingchi, Kosten: rund 3,7 Milliarden Euro. Das Dach der Welt soll sogar zu einem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt werden – mit Verbindungen bis nach Indien, Nepal und Bhutan.