Berlin. Seit ein paar Tagen ist das Pariser Klima-Abkommen in Deutschland rechtsgültig. Über 60 Staaten haben es bereits ratifiziert. Der auf der Weltklimakonferenz im vergangenen Dezember ausgehandelte Vertrag dürfte daher noch dieses Jahr den Abschied der Welt von der Energie aus Kohle, Öl und Gas einleiten und die Erderwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit auf unter zwei Grad Celsius begrenzen.

Doch jetzt entbrennt hierzulande Streit: Wie erreicht Deutschland das in Paris zugesagte EU-Ziel, bis 2050 den Ausstoß der Treibhausgase um 80 bis 95 Prozent zu verringern? Strenge Vorgaben dafür macht Umweltministerin Barbara Hendricks mit einem 69-seitigen „Klimaschutzplan 2050“. In der Wirtschaft schrillen die Alarmglocken.

Experten sehen die Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben und Arbeitsplätzen bedroht, wenn Hendricks ihren Masterplan für den Ausstieg aus fossiler Energie durchzieht, der für Kraftwerke, Industrie, Handwerk und Handel sowie für Verkehr, Bauen und Landwirtschaft gelten soll. Worum geht der Streit? Anne Feldhusen, Referentin Energie- und Klimapolitik beim Industrieverband BDI, nennt die Kritikpunkte der Wirtschaft:

  • Zu ehrgeizige Ziele. Die Umweltministerin strebt eine Minderung der Klimagase „am oberen Rand“ des EU-Zielkorridors von 80 bis 95 Prozent an. Das macht der Industrie besonders Sorge. „Die Wirtschaft fordert ein Vorgehen im europäischen Gleichklang, damit es nicht zur Verlagerung von Produktion kommt“, argumentiert die BDI-Expertin.
  • Verschärfung beim Emissionshandel. Mit diesem System steuert die EU über das Zuteilen und Verkaufen von Emissionsrechten die Verringerung des Klimagasausstoßes in Kraftwerken, energieintensiven Betrieben und bei Fliegern. In diesen Markt will die Umweltministerin eingreifen. Zertifikate sollen knapper und damit teurer werden. „Nationale Eingriffe verzerren den Wettbewerb“, erklärt Feldhusen.
  • Höhere Ökosteuer. Die Umweltministerin will alle staatlichen Energiepreis-Bestandteile bis Mitte 2017 auf den Prüfstand stellen und neu justieren. Energie wird dann teurer. Schon heute haben deutsche Firmen die dritthöchsten Strompreise weltweit. „Ihre Wettbewerbsfähigkeit darf nicht gefährdet werden“, so Feldhusen. „Deswegen müssen die Entlastungen bei der Ökostrom-Umlage bestehen bleiben. Sie sind für energieintensive Firmen im internationalen Wettbewerb existenziell.“
  • Mangelnde Kalkulation. Eine Abschätzung der Folgekosten jeder Maßnahme für Bürger, Kommunen und Betriebe fehle, moniert Feldhusen. „Das ist hier wie bei jedem Gesetz nötig.“

Zudem sei es „zwingend erforderlich“, so die BDI-Expertin, „dass der Bundestag über den weitreichenden Plan abstimmt“. Das sei ein gesellschaftliches Großprojekt.