Köln/Berlin. Der Herbst beginnt turbulent in Griechenland. Aufgebrachte Rentner protestieren in Athen gegen eine erneute Kürzung ihrer Bezüge. Und die Gewerkschaften machen gegen Privatisierungen mobil. Denn die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras zieht zurzeit schmerzhafte Gesetze durch.
Seit die EU kurz nach dem großen Schuldengipfel im Juli 2015 den Weg für ein drittes Rettungspaket in Höhe von 86 Milliarden Euro frei machte, gilt für das hoch verschuldete Griechenland eine klare Regel, erklärt Finanz-Experte Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW): „Weitere Kredite gibt es nur gegen Reformen.“ Deshalb liefert die griechische Regierung mittlerweile.
Und doch geht es wirtschaftlich nicht voran. „Griechenland erlebt verlorene Jahre“, sagt IW-Ökonom Matthes. „Seit 2015 stagniert die Wirtschaft.“ Verantwortlich dafür sei Ministerpräsident Tsipras, der mit seinem anfänglichen Konfrontationskurs gegenüber der EU „das zarte Pflänzchen Vertrauen“ bei Wirtschaft und Bürgern zerstört habe. Damit würgte er die Erholung ab, die 2014 schon eingesetzt hatte. Und das Haushaltsdefizit wuchs erneut.
Deshalb müssen wieder Sparmaßnahmen her; die Gesetzesmaschine rattert. Die Renten werden gekürzt und die Beiträge für Landwirte und Freiberufler erhöht. Die Mehrwertsteuer steigt nochmals, jetzt von 23 auf 24 Prozent. Und Staatsbetriebe werden privatisiert. All das bringt Milliarden für den klammen Haushalt des mit 328 Milliarden Euro verschuldeten Staats.
Doch was muss passieren, damit es aufwärts geht? „Zunächst muss das Vertrauen von Unternehmern und Investoren wieder voll zurückkehren“, so Matthes. Der Kurswechsel der Regierung zur Reformpolitik sei da positiv.
Dringend nötig sind zudem Reformen, die die Wirtschaft ankurbeln. Das fordert Professor Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. „Die überbordende Bürokratie, die hohen Steuern für Unternehmen und Selbstständige und die extrem langsame Rechtsprechung sind eine enorme Bremse für die unternehmerische Initiative.“
Und dann braucht Griechenland „eine Strategie, um für hochinnovative Firmen attraktiv zu werden“, mahnt Kritikos. Die bieten mehr Chancen auf nachhaltiges Wachstum als Handel, Tourismus und Landwirtschaft. Herausragende Forscher und Wissenschaftler habe das Land, aber 85 Prozent von ihnen arbeiteten im Ausland.
Solche Ansätze kommen derzeit zu kurz, stimmt IW-Ökonom Matthes zu. Dennoch ist er optimistisch. Durch die gesunkenen Löhne seien die Betriebe wettbewerbsfähiger: „Die Erholung kommt.“ Das erwarte auch die OECD, die Denkfabrik der Industriestaaten. Ihre Prognose: Nächstes Jahr wächst die griechische Wirtschaft um 2,7 Prozent.