Stuttgart. Das Brummen kann man förmlich hören, die Maschinen der Metall- und Elektro-Industrie laufen heiß: Um 5 Prozent auf knapp 88 Milliarden Euro wird der Umsatz im baden-württembergischen Maschinen- und Anlagenbau dieses Jahr wachsen, so prognostiziert der Branchenverband VDMA.
Rund 1.500 Maschinenbau-Unternehmen sitzen im Südwesten. Ein Schwerpunkt ist der Werkzeugmaschinenbau: Über die Hälfte der Produktion in Deutschland stammt aus Baden-Württemberg.
Wie innovativ die Branche ist, konnten kürzlich über 90.000 Besucher aus aller Welt bei der internationalen Ausstellung für Metallbearbeitung AMB in Stuttgart bewundern. Mehr als 1.500 Aussteller zeigten, was in der Produktion von morgen möglich ist. Das Mega-Thema ist die Digitalisierung. aktiv zeigt an vier Beispielen die aktuellen Trends.
1 Hand in Hand mit dem Roboter
Der beißt nicht, und der rempelt auch nicht – das signalisiert schon die freundliche grüne Farbe, in die der Roboterarm des Herstellers Fanuc gekleidet ist. „Unsere normalen Industrieroboter sind gelb und müssen mit Schutzzäunen umgeben werden“, erklärt der Fanuc-Mitarbeiter am Stand.
Das Unternehmen Fanuc hat bei der AMB einen neuen Roboter im Einsatz, der in der Produktion direkt mit Mitarbeitern zusammenarbeiten kann. 35 Kilogramm Gewicht hebt der neue Kollege und ist damit der größte kooperative Roboter des Herstellers, der seinen Deutschlandsitz nahe Stuttgart hat. Je nachdem wie hart die Berührung ist, stoppt der Roboter einige Sekunden oder muss durch Druck auf einen Knopf wieder in Gang gebracht werden. Der Mitarbeiter kann den Roboterarm auch wegschieben, falls er ihm in die Quere kommt. Das alles dient der Sicherheit der Menschen in seiner Umgebung. Aus dem gleichen Grund ist die grüne Hülle auch weich gepolstert. Seinen Arm kann der Roboter nicht ganz beugen und damit auch niemanden einquetschen. Kollege Roboter ist außerdem clever: Mit einer eingebauten Kamera erfasst er die Lage der Teile, die er greifen soll, und merkt sie sich.
2 Prepaid-Ticket für Maschinen
Die Konjunktur läuft auf Hochtouren, viele Betriebe arbeiten an der Kapazitätsgrenze. Jetzt neue Maschinen kaufen? Das ist eine Investition, die sich gerade Mittelständler sehr gut überlegen. Auch weil Innovationszyklen immer kürzer werden und Kundenwünsche individueller.
Das Maschinenbauunternehmen Heller in Nürtingen hat sich dafür ein neues flexibles Modell ausgedacht: Der Kunde zahlt nur dann für die Maschine, wenn er sie tatsächlich nutzt. Das Angebot heißt „Heller4Use“, und es funktioniert nach dem Prepaid-Prinzip – abgerechnet wird nach Stunden. Der Vertrag kann maximal 72 Monate laufen, vorzeitige Rückgabe oder Tausch gegen eine andere Maschine sind möglich.
Abgesehen von einer Grundgebühr entstehen Kosten nur dann, wenn Aufträge da sind und Geld verdient wird. Service und Wartung sind inklusive. Dafür werden Maschinendaten online erfasst und ausgewertet. So wird frühzeitig erkannt, wann ein Verschleißteil ausgewechselt werden muss.
3 So schlau sind Sensoren
Der Sensor- und Automatisierungsspezialist Balluff mit Sitz in Neuhausen macht Tempo auf dem Weg in Richtung Industrie 4.0. Bei dem Automatisierungsspezialisten dreht sich alles darum, Daten zu erzeugen, zu transportieren und optimal zu verarbeiten.
Als zuverlässige Datenquelle dienen Sensoren. „Sie sind die Sinnesorgane der Maschine“, erklärt Eberhard Kauderer, Gebietsverkaufsleiter für Balluff in Deutschland. Das macht er an einem Beispiel deutlich: „Konventionelle Positionssensoren konnten lediglich erfassen, wo sich ein Objekt gerade befindet, die neuen Sensoren können auch noch zusätzliche Parameter liefern.“ Sichtbar werden diese Daten auf einem Bildschirm.
Weitere innovative Möglichkeiten ergeben sich durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Sensoren. Die intelligente Verknüpfung und Auswertung ihrer Daten machen den ganzen Fertigungsprozess transparent und ermöglichen es, einem Stillstand vorzubeugen. Kauderer: „Wenn beispielsweise die Sensoren eine höhere Vibration und gleichzeitig steigende Temperaturen in der Maschine messen, kann dies auf ein Problem im Lager hindeuten.“
4 Digitalisierungs-Experten sind gefragt
Begehrte Fachkräfte sind in Baden-Württemberg knapp. Bei der AMB warb die Branche mit einem speziellen Programm um die Jugend. Ohne digitale Kompetenz geht nichts mehr, denn Maschinenbau und Informationstechnologie wachsen immer mehr zusammen.
„Digitale Experten sind gefragt“, heißt es beim Hersteller von Präzisionswerkzeugen Walter in Tübingen. In diesem Herbst startet Walter ein neues duales Wirtschaftsinformatik-Studium gemeinsam mit der dualen Hochschule in Villingen-Schwenningen.
Die Ausbildung verbindet dabei Wissenschaft mit praktischen Erfahrungen bei einem der führenden Unternehmen der Branche. Walter: „Die Praxiseinsätze sind inhaltlich so abwechslungsreich, wie es der Beruf später einmal sein wird.“