Bonn. Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt verändern. Was bedeuten die neuen Techniken für die Mitarbeiter und die Jobs? Märkisch aktiv hat den Experten Terry Gregory vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn gefragt. Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Beiträge zum Thema.

Droht ein Job-Kahlschlag?

Sicher nicht. Wir haben in einer Studie errechnet, dass jeder zehnte Job automatisierbar ist. Ob diese Arbeitsplätze tatsächlich durch Roboter oder andere automatische Systeme ersetzt werden, ist noch fraglich. Fest steht: Die neuen Techniken dringen immer mehr in Berufe ein, werden reine Routinearbeiten übernehmen. Dabei wird oft nicht der ganze Arbeitsplatz wegrationalisiert, die Änderungen betreffen häufig einzelne Arbeitsschritte.

Kein Grund zur Panik also?

Unterm Strich könnte die Stellenbilanz sogar positiv ausfallen: Entgegen der verbreiteten öffentlichen Meinung dürfte der technologische Wandel mehr Arbeitsplätze schaffen, als er zerstört.

Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Die Digitalisierung bietet auch viele Chancen. Es könnten spannende neue Berufe entstehen, besser bezahlte Jobs. Die zusätzlichen Stellen wird es aber nur geben, wenn die Digitalisierung tatsächlich Wachstum bringt. Beispielsweise durch zusätzliche Investitionen.

Konkret?

Wir haben 2.000 Unternehmen befragt, die in den letzten Jahren bereits in Spitzentechnologien investierten – und dies auch in Zukunft vorhaben. Ergebnis: Diese Ausgaben führen bis 2021 zu einem Job-Plus von insgesamt knapp 2 Prozent. Das liegt vor allem daran, dass die Unternehmen zunächst zusätzliche Mitarbeiter brauchen, um die neuen Technologien einzuführen.

Gibt es noch einen Effekt auf den Arbeitsmarkt?

Ja. Computer und Roboter machen es möglich, Produkte günstiger herzustellen. Die Konsumenten kaufen dann mehr und die Unternehmen stellen zusätzliches Personal ein. Technikschübe haben bislang immer zu mehr Beschäftigung geführt. Denken Sie nur an die Einführung des Computers in den 80er Jahren. Die Angst um die Jobs ging um. Doch es kam bekanntlich ganz anders.

Welche Jobs sind gefährdet oder verändern sich stark?

Arbeiten, die Maschinen zu einem Großteil erledigen können. Betroffen davon sind fast alle Branchen – ob Bürokräfte von Banken, wo es zum Einsatz von Software in Verbindung mit künstlicher Intelligenz kommt, bis hin zu den Fahrern von Gabelstaplern, Lkws oder Bussen, deren Jobs durch autonome Fahrzeuge überflüssig werden könnten.

Welche Qualifikationen sind in Zukunft gefragt?

In erster Line mehr interaktive und analytische Fähigkeiten. Mit anderen kommunizieren, Probleme lösen, flexibel auf Herausforderungen und Veränderungen reagieren und dabei Erfahrungswissen einbringen – das kann der Mensch noch am besten.

Große Herausforderungen für die Arbeitskräfte ...

Ja. Wir müssen es schaffen, alle Mitarbeiter gleichermaßen auf den digitalen Strukturwandel vorzubereiten, auch ältere und geringqualifizierte Beschäftigte. Weiterbildung ist wichtiger denn je. Hier muss die Politik Unterstützung leisten. Der digitale Wandel ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Haben die Menschen genug Zeit, sich umzustellen?

Ich denke, schon. Die Digitalisierung ist eine Evolution, keine Revolution. Zwar nutzt bereits die Hälfte der Betriebe moderne sogenannte. 4.0 Technologien.wie vernetzte Roboter und andere digitale Systeme. Diese machen im Durchschnitt aber lediglich 5 bis 8 Prozent der Arbeitsmittel in den Unternehmen aus. Wir sind der Entwicklung nicht ausgeliefert, können den Prozess steuern. Und die Digitalisierung so einsetzen, dass sie dem Menschen hilft – ihn aber nicht ersetzt. Es gibt bekanntlich Dinge, die können Menschen gut, andere eher Roboter.