Wenn ein Industriestaat nicht mehr wächst, zeigt sich das über kurz oder lang auch am Arbeitsmarkt. Genau das passiert derzeit in Deutschland. Das Bruttoinlandsprodukt ist 2023 wie auch 2024 leicht gesunken. Die Arbeitslosenquote ist im Schnitt des Jahres 2024 merklich gestiegen, wie schon 2023. Und sie wird sich allen bisherigen Prognosen zufolge 2025 weiter verschlechtern.
Im Dezember waren 2,8 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) kürzlich bekanntgab. Das waren 170.000 mehr als im Dezember 2023, die Zahl der Arbeitslosen stieg damit binnen Jahresfrist um 6 Prozent. Dies ist „vor allem eine Folge der wirtschaftlich angespannten Lage“, wie die BA notiert. Jeder dritte von Arbeitslosigkeit Betroffene ist schon länger als ein Jahr ohne Job.

Besserung ist leider nicht in Sicht. Bei den neu gemeldeten Stellen gibt es laut BA sogar einen „historischen Tiefstand“. Das Beschäftigungsbarometer des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo misst schon seit drei Jahren sinkende Werte, inzwischen ist der Stand so schlecht wie seit dem Corona-Sommer 2020 nicht mehr. „Immer weniger Unternehmen bauen Personal auf“, heißt es dazu beim Ifo, „dafür steigt der Anteil der Betriebe, die Arbeitsplätze abbauen wollen.“ Und das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln stellt nach seiner eigenen Konjunkturumfragefest: 38 von 100 befragten Firmen wollen ihre Belegschaft 2025 reduzieren – nur 17 rechnen mit einem Stellenplus.
In der Industrie gehen derzeit Monat für Monat viele Tausend Arbeitsplätze verloren
Einen anhaltenden Rückgang der Beschäftigung verzeichnen vor allem die Industrie, die bekanntlich seit Jahren in einer zähen Krise feststeckt, sowie die etwa vom industriellen Mittelstand häufig genutzte Zeitarbeit. Allein im Verarbeitenden Gewerbe sind seit Herbst 2023 schon rund 100.000 Stellen verloren gegangen, wie IW-Ökonom Holger Schäfer im Gespräch mit aktiv erklärt.
Um gegenzuhalten, hat die scheidende Bundesregierung kurz vor Weihnachten die mögliche Bezugsdauer des Kurzarbeitergelds auf 24 Monate verdoppelt. Eine gute Idee? „Nein“, sagt Schäfer, „das ist jetzt nicht sinnvoll. Wir wissen ja nicht, wann und wie diese strukturelle Krise vorbeigeht. Verlängertes Kurzarbeitergeld behindert also nur die grundsätzlich nötige Umstrukturierung wie auch die nötige Umorientierung der einzelnen Arbeitnehmer.“
Der demografische Wandel wird den Fachkräftemangel verschärfen
Was sollte die Politik denn stattdessen tun? Klar: alles, was der Wirtschaft aus der tiefen Krise helfen könnte. Aber: Kurzfristiger Aktionismus am Arbeitsmarkt gehört eben nicht dazu. Denn die größte Herausforderung für unsere Gesellschaft steht sozusagen schon vor der Tür: Im Lauf der nächsten Legislaturperiode werden deutlich mehr Ältere in Rente gehen, als Jüngere aus den Schulen kommen. Berichte über diesen „demografischen Wandel“ und seine Folgen finden Sie auf unserer Themenseite: Demografischer Wandel.
„Die aktuell etwas steigende Arbeitslosigkeit verstellt leider den Blick auf diese demografisch bedingte deutliche Verknappung des Arbeitskräfteangebots“, warnt IW-Experte Schäfer. „Wir müssen tatsächlich schon jetzt alle politischen Hebel in Bewegung setzen, um die Fachkräftebasis der Zukunft zu sichern. Es muss zum Beispiel attraktiv sein, mehr zu arbeiten und länger im Job zu bleiben.“
Die Zuwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten jenseits der EU bleibe natürlich ebenfalls nötig. Und der deutsche Arbeitsmarkt müsse wieder flexibler werden: „Das gilt für die Zeitarbeit und die befristete Beschäftigung – aber ebenso für das Thema Arbeitszeit an sich. Denn da ist Deutschland noch strenger, als es nach EU-Vorgaben nötig wäre.“
Die Arbeitsagenturen verzeichnen jedes Jahr viel Bewegung
- Fast unabhängig von der wirtschaftlichen Lage tut sich bei den Arbeitsagenturen jedes Jahr eine Menge. Im Laufe des Jahres 2024 haben sich 6,88 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Und 6,71 Millionen Menschen konnten derweil ihre Arbeitslosigkeit beenden.
- Wie der aktuelle Bericht der Bundesagentur für Arbeit weiter ausweist, ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen gestiegen: Im Jahresschnitt 2024 waren 972.000 Menschen schon länger als zwölf Monate ohne Job. Das waren 7 Prozent mehr als im Schnitt 2023: „Der Anstieg erklärt sich mit der schwierigen konjunkturellen Lage und den damit verbundenen schlechten Arbeitsmarktperspektiven von arbeitslosen Menschen.“

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.
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