Köln. Deutschland, das dürften die meisten wissen, ist einer der wichtigsten Industriestandorte weltweit. Aber auch, was oft übersehen wird: einer der teuersten!

Eine einzige Stunde Arbeit kostet die Betriebe bei uns alles in allem knapp 39 Euro – und damit wesentlich mehr als in vielen anderen Ländern, deren Wirtschaft mit der unseren konkurriert. Zudem haben diese Arbeitskosten hierzulande zuletzt deutlich schneller zugelegt als in Europa insgesamt.

Besonders genau weiß das Ökonom Christoph Schröder vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Er berechnet regelmäßig, was die Industrie weltweit für eine Arbeitsstunde hinblättern muss. Sein aktueller Vergleich mit Daten aus dem Jahr 2015 für 44 fortgeschrittene Staaten zeigt zum Beispiel, dass Arbeitskraft in China nicht mehr ganz so billig zu haben ist wie noch vor Jahren – die Türkei ist nun wieder etwas günstiger. Oder dass Betriebe in Ostdeutschland (ohne Berlin) mit 26,26 Euro viel günstiger wegkommen als die in Westdeutschland mit 40,90 Euro. Und man sieht vor allem auch, dass Deutschland insgesamt der sechstteuerste Standort ist: In nur 5 der 44 Staaten zahlen die Firmen noch mehr als bei uns, zum Beispiel in Belgien und Schweden. Gegenüber dem Schnitt aller untersuchten Länder sind die Arbeitskosten bei uns um ein Sechstel höher.



Wichtig ist, dass es dabei nicht etwa „nur“ um den Stundenlohn geht: Von den 38,99 Euro, die am Standort D pro Stunde fällig werden, sind 22,37 Euro das sogenannte Direktentgelt für tatsächlich geleistete Arbeit. Der Rest kommt zusammen durch die Bezahlung arbeitsfreier Zeiten wie Urlaub und Krankheit, die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, Ausgaben für betriebliche Altersvorsorge und weitere Kosten wie etwa Kantinenzuschüsse. Speziell die Entwicklung im vergangenen Jahr macht nun vielen Unternehmern Sorgen: Im Euro-Raum blieben die Arbeitskosten mit einem Zuwachs von nur 0,7 Prozent fast konstant – bei uns dagegen zogen sie um 3,3 Prozent an, obwohl die Verbraucherpreise annähernd stabil blieben. „Die Arbeitskosten hier sind nun schon seit fünf Jahren in Folge schneller gestiegen als im Durchschnitt der EU“, sagt IW-Forscher Schröder.

Das ist auch deshalb problematisch, weil die Produktivität nicht in gleichem Maße zugelegt hat. Die deutschen Lohnstückkosten lagen 2015 um 15 Prozent höher als im Vorkrisenjahr 2007. Das heißt: Betriebe müssen 15 Prozent mehr Lohn zahlen, um die gleiche Menge Produkt herzustellen.

Und dieses Jahr? Für weltweite Vergleiche fehlen noch die Daten, aber laut Index des Statistikamts Eurostat sind die Industrie-Arbeitskosten bei uns weiter angestiegen, um 2,1 Prozent. Von der im Standort-Wettbewerb ebenfalls wichtigen Entwicklung der Wechselkurse dürfte keine nennenswerte Entlastung mehr kommen, so Schröder. Sein Fazit: Die aus den hohen Kosten resultierenden Wettbewerbsnachteile könnten auf Dauer „auch die Arbeitnehmer empfindlich treffen“.