Nürnberg/München. Wer zahlt, schafft an? In unserer Sozialen Marktwirtschaft gilt das nur eingeschränkt. Die, die bezahlt werden, können in vielen Punkten mitreden – dafür sorgt das Gesetz ebenso wie die in Industrieunternehmen gelebte Praxis. Das von Staats wegen erwünschte Ergebnis: „Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten vertrauensvoll und zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen.“
So steht es im Betriebsverfassungsgesetz, das die Mitbestimmung in Firmen mit mehr als fünf Mitarbeitern regelt. In Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern sitzen Arbeitnehmervertreter sogar im Aufsichtsrat, übernehmen also im obersten Gremium Verantwortung für die Geschicke des gesamten Unternehmens. In der westdeutschen Industrie mit ihren oft großen Unternehmen werden 65 Prozent der Beschäftigten durch einen Betriebsrat vertreten, wie das IAB-Betriebspanel für 2017 ausweist. Im bundesweiten Schnitt und über alle Branchen ist das Verhältnis umgekehrt, nur 33 Prozent aller Mitarbeiter haben überhaupt einen Betriebsrat.
Konflikte zwischen Chefetage und Belegschaft sollen nicht eskalieren, sondern im respektvollen Dialog beigelegt werden. Gibt es keine tariflichen oder gesetzlichen Vorgaben, haben die Betriebsräte daher ein besonders großes Mitspracherecht. Und in vielen Punkten auch ein sogenanntes Initiativrecht, sie können also ein Thema auf den Tisch bringen.
Einigen sich beide Seiten, werden die Ergebnisse oft in einer Betriebsvereinbarung festgehalten. So lassen sich Arbeitsbedingungen einheitlich und für alle Beschäftigten des Betriebs bindend herstellen (was die Personalarbeit erheblich erleichtert). Ein typisches Beispiel dafür ist die Betriebsordnung. Sie regelt zum Beispiel, ob es eine einheitliche Arbeitskleidung gibt. Oder dass Alkohol am Arbeitsplatz natürlich verboten ist.
„Entscheidung und Verantwortung dürfen nicht getrennt werden“
Bei Regelungen zur Arbeitszeit ist der Betriebsrat ebenfalls gefragt: Er bestimmt zum Beispiel mit, wann es Pausen gibt. Auch in Sachen Kurzarbeit, Betriebsferien oder beim Arbeits- und Gesundheitsschutz haben Arbeitnehmer ein gewichtiges Wort mitzureden. Und wenn in einem Tarifvertrag die entsprechenden Regelungen fehlen, kann der Betriebsrat sogar bei Angelegenheiten mitbestimmen, die die Lohngestaltung betreffen: etwa Gehaltsbänder, Sonderzahlungen für Jubiläen, Provisionen.
In personellen Fragen sind Arbeitgeber ebenfalls auf die Zustimmung der Arbeitnehmerseite angewiesen. Das gilt etwa bei Einstellungen, Ein- und Umgruppierungen in Lohngruppen und Versetzungen – allerdings nicht bei Kündigungen. Mitwirkungsrechte hat der Betriebsrat zum Beispiel bei sogenannten Betriebsänderungen, also etwa bei einem Umzug des Werks oder bei der Fusion mit einer anderen Firma. Und sollte ein Betrieb tatsächlich mal schließen müssen, kann der Betriebsrat das nicht verhindern – aber über Instrumente wie einen Sozialplan mitbestimmen, wie die Folgen für die Betroffenen abgefedert werden.
Dieses historisch gewachsene (und im Detail übrigens extrem knifflige) Regelwerk zulasten der Unternehmen ändern, die Balance noch mehr Richtung Arbeitnehmer verschieben? Die bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeberverbände bayme und vbm können davor nur warnen. „Ein überregulierter oder rundum mitbestimmter Betrieb ist auf Dauer nicht überlebensfähig“, betonen sie. Entscheidung und Verantwortung dürften nicht getrennt werden: „Am Ende müssen Eigentümer und Geschäftsführung die unternehmerischen Entscheidungen verantworten.“
Für den digitalen Wandel reichen heutige Mitbestimmungsregeln vollkommen aus
Wobei es aus Sicht der Wirtschaft durchaus gesetzlichen Änderungsbedarf gibt. Mehr Kontinuität in der Betriebsratsarbeit durch eine von vier auf fünf Jahre verlängerte Amtszeit würde die Unternehmen ebenso stärken wie eine Verfahrensbeschleunigung bei der Mitbestimmung. Ganz verzichten könne man zudem auf „Mitbestimmungsrechte, die für den Schutz der Arbeitnehmer nicht erforderlich sind“.
Und wie ist das mit dem digitalen Wandel? „Die Sorge, dass die Digitalisierung den Geltungsbereich der betrieblichen Mitbestimmung aushöhlt, ist unbegründet“, heißt es im Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Es gebe jedenfalls „keine Anzeichen dafür, dass Unternehmen mit Betriebsrat einen geringeren Digitalisierungsgrad aufweisen als mitbestimmungsfreie Betriebe“. Und auch das IW rät von einer weiteren Stärkung der Mitbestimmungsrechte ab: So etwas sei generell nicht erforderlich – und dürfte sich sogar „für eine erfolgreiche Anpassung an den digitalen Wandel als kontraproduktiv erweisen“.
Mehr zum Themen-Special
Arbeitswelt im Wandel: Die Mitarbeiter in Bayerns Metall- und Elektroindustrie haben durchaus Grund zum Optimismus. Das zeigt das aktiv-Themen-Special anlässlich des 1. Mai. Hier geht’s zur Einführung.
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