Dessau-Roßlau. Für Laien klingt das Gespräch zwischen Frank Weidemann und Christian Arndt nach Kauderwelsch. Der Werkleiter vom DHW Deutsche Hydrierwerke Rodleben in Roßlau und der Meister in der MPR-Anlage besprechen Details der Herstellung eines sogenannten Ethers. Das neue Produkt läuft prima. Als Lösungsvermittler in Sonnenmilch sorgt es dafür, dass diese auch wirkt.

160 Mitarbeiter stellen hier nahe der Elbe Zucker- und Fettalkohole her, Fettamine, Sorbitole oder Spezialitäten wie Fettsäureester. Alles in allem etwa 35.000 Tonnen im Jahr. Was so fremd klingt, steckt in vielen Lebensmitteln, Arzneien, Kosmetika und Waschmitteln, Alltagsprodukten also. Als Zuckeraustauschstoff, als Rieselhilfe, als Vorprodukt für waschaktive Substanzen (Tenside), als Feuchthaltemittel …

„Sorbitol beispielsweise wird durch Hochdruckhydrierung aus Mais- oder Weizen-Glukose gewonnen“, erklärt Weidemann. Die Flüssigkeit wird im Sprühturm getrocknet, das weiße Pulver schützt als Beigabe Zahncremes, Senf, Mayonnaise oder Shampoos vorm Austrocknen.

DHW Rodleben arbeitet „grün“, auf Basis nachwachsender Rohstoffe, pflanzlicher Fette wie Raps- oder Kokosöl und Glukose etwa. Deutlich wird die „grüne Chemie“ auch am Namen der Muttergesellschaft, der Ecogreen Oleochemicals aus Indonesien.

Schwere Zeiten, gelungene Rettung

Die Muttergesellschaft war die Rettung für den Traditionsbetrieb. 1986, als Weidemann gleich nach dem Chemiestudium an der Uni in Leipzig hier in Roßlau anfing, gab es noch 2.000 Mitarbeiter, ein riesiges Produktspektrum und allein in der Forschung 150 Leute.

Dann kam die Wende 1989/90. Weidemann, nach zwei Jahren in der Produktion in die Forschung gewechselt, erinnert sich: „Wir hatten viele Illusionen, hofften auf die neuen Zeiten.“ Aber nur wenige potenzielle Investoren interessierten sich für die 1916 gegründete Firma, in der um das Jahr 1930 herum die Hochdruckhydrierung zur Herstellung von Fettalkoholen erfunden und zur industriellen Reife geführt wurde. Zu alt, zu viele Beschäftigte – und viel zu viele Altlasten. Bis 1991 die indonesische Salim-Gruppe zugriff, die wenige Jahre zuvor mit der Verarbeitung von Pflanzenölen begonnen hatte und bei der Expansion nach Europa vor allem auf das setzte, was DHW geblieben war: ein riesiger Erfahrungsschatz, jede Menge Know-how.

Dennoch, der Umbau der Firma kostete viele Arbeitsplätze, nur 140 blieben zunächst übrig. Auch Weidemann musste im Jahr 1993 gehen, die Forschung machte dicht. Vier Jahre später, der Chemiker hat inzwischen in Cottbus bei einer kleineren Chemiefirma Lohn und Brot gefunden, kommt ein Anruf aus Roßlau: „Herr Weidemann, wir brauchen Sie.“ Es geht wieder aufwärts, DHW ist stabil, investiert in die Zukunft. Das erste große Projekt, das Weidemann betreut, ist die MPR-Anlage, die „multifunktionelle Anlage für die Produktion von Estern und Spezialitäten“ aus natürlichen Rohstoffen. Auch Forschung ist wieder aktuell. Weidemann leitet den Bereich, wird 2001 zusätzlich Produktionschef, kümmert sich um den Einkauf, ist seit vier Jahren auch Werkleiter.

Heute geht es um das Überführen neuer Verfahren in die Produktion oder den Abschluss einer Investition wie 2015, als das neue Gasturbinen-Blockheizkraftwerk in Betrieb genommen wurde. Selbst Personal ist neuerdings ein großes Thema. Lehrlinge? Chemikanten? Anlagenfahrer?„Würde ich derzeit gerne einstellen, aber es gibt keine Bewerber.“

Frank Weidemann hat eine Lösung gefunden und erst kürzlich einige Schiffbauer eingestellt, die nun nach und nach mit den Details der Produktion vertraut gemacht werden. Auch beim Thema Azubis ist der Chef optimistisch. Schließlich haben sie hier schon ganz andere Probleme gemeistert.

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Ich war schon als Kind an Naturwissenschaften interessiert, wollte verstehen, wie etwas funktioniert, Chemie lag mir.

Was reizt Sie am meisten?

Die Dinge am Laufen zu halten, Verantwortung zu übernehmen.

Worauf kommt es an?

Das Fachgebiet beherrschen, dabei über den Tellerrand hinausgucken, Entscheidungen ruhig und sachlich fundiert treffen. Am wichtigsten: Ohne gute und motivierte Mitarbeiter taugt die tollste Technik nichts.