Autos, Maschinen und Elektronik aus Deutschland werden weltweit nach wie vor noch hoch geschätzt – und teuer gekauft. Aber Technologien und Märkte entwickeln sich rasant weiter, getrieben vor allem von Digitalisierung und Klimaschutz. Kann unsere heimische Industrie da in Zukunft noch genauso punkten wie bisher? Oder werden wir abgehängt, weil die internationale Konkurrenz auf wichtigen Feldern – etwa bei der Batteriefertigung – die Nase vorn hat? 

Über die Herausforderungen und Chancen sprach aktiv mit Thomas Köpp. Er ist verantwortlich für die Initiative „Zukunftsfähige Industriearbeit“ des Arbeitgeberverbands Südwestmetall und an einer Zukunftsstudie beteiligt, die Ende Januar 2025 präsentiert werden soll.

Herr Köpp, unsere Wirtschaft kommt nicht mehr richtig in Schwung, die Krise dauert an. Haben unsere altbewährten Industrien ausgedient?

Nein, das nicht. Aber unsere starken Branchen – vor allem Automobilbau, Maschinenbau, Chemie – stehen vor enormen Herausforderungen. Das muss nun nicht zwingend zu einer De-Industrialisierung führen, wie viele befürchten. Ähnliche Umbrüche hat es auch früher schon gegeben.

Aber entscheidend ist jetzt: Die Unternehmen müssen sich wandeln und die Märkte bedienen, die den Planeten bewegen werden. Sie müssen sich Gedanken darüber machen, welchen Problemen sich die Menschen weltweit künftig stellen müssen und wie man sie technisch lösen kann. Zum Beispiel in der Ernährungswirtschaft, hier etwa sind unsere Maschinenbauer gefragt: Sie stellen die Anlagen für die Lebensmittel-Industrie her und können da viel Potenzial heben.

Welche Technologiefelder sollten die Unternehmen also künftig konkret beackern?

Dazu zählen insbesondere die künstliche Intelligenz, kurz KI, die Vernetzung und Automation oder auch die Kreislaufwirtschaft. Aus meiner Sicht sind aber die spannendsten Felder die Energieerzeugung, -speicherung und -verteilung sowie die Mobilität. Bei Letzterer geht es ja nicht nur um die Frage des Antriebs. Es braucht vielmehr umfassende Konzepte, über den Individualverkehr hinaus, die man ganz neu denken muss. Und ein ganz großes Thema, bei dem sich viele Chancen bieten, ist auch die Quantentechnologie.

Und wie sind unsere Betriebe für diesen Wandel gerüstet?

Wenn sie eine solide finanzielle Basis haben, dann auf jeden Fall gut. Aber es braucht natürlich auch unternehmerischen Mut, sich nicht einfach darauf zu verlassen, dass die bisherigen Produkte gut laufen. Und an manchen Technologien dranzubleiben, auch wenn alle anderen die schon wieder für tot halten. Allgemein würde ich mir mehr technischen Zukunftsoptimismus wünschen – sowohl in der Wirtschaft als auch in unserer gesamten Gesellschaft.

Das heißt aber auch: Jetzt muss man richtig viel Geld in die Hand nehmen …

Ja, auf jeden Fall. Dabei trägt der Unternehmer immer das Risiko, dass sich Investitionen am Ende nicht auszahlen. Dass eine Idee erst nach sehr langer Zeit zur Marktreife gelangt – oder schlimmstenfalls nie.

Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, haben unsere solide wirtschaftenden Unternehmen aber prinzipiell das Zeug dazu, das gilt für die kleinen wie für die großen. Denn es geht nicht allein um die großen, bahnbrechenden Sprünge: Auch kleinere Optimierungen sind ein Fortschritt und stärken die Wettbewerbsfähigkeit. Da sehe ich auch bei unseren Mittelständlern sehr viel Engagement. Aber: Wir müssen unbedingt schneller darin werden, Produkte auf den Markt zu bringen. Gegenüber der globalen Konkurrenz sind wir da schlicht zu langsam.

Was bremst uns denn aus? Und wie können wir die Konkurrenz wieder einholen?

Da spielen auch politische Hürden eine Rolle, vor allem in Form von viel zu vielen Regulierungen. Dadurch dauern Genehmigungsverfahren, zum Beispiel für neue Werke, bei uns einfach deutlich zu lang.

Grundsätzlich bringt es aber nicht viel, zu versuchen, unseren globalen Konkurrenten die Märkte abzujagen, die sie inzwischen schon fest in der Hand haben – wie zum Beispiel die Chipfertigung für den Massenmarkt. Nebenbei gesagt, ist die internationale Arbeitsteilung ja auch sinnvoll, niemand kann alles selbst herstellen. Besser für uns ist es jetzt, sich auf die Segmente zu konzentrieren, die erst noch relevant werden oder wo wir Alleinstellungsmerkmale haben: Diese sollten wir ausbauen. Das sind zum Beispiel der Sondermaschinenbau oder die KI.

Welche besonderen Stärken können wir dabei ins Feld führen?

Allen voran den typisch deutschen Erfindergeist und unsere gut ausgebildeten Fachkräfte. Ein Plus ist auch die enge Verzahnung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Gerade hier in Baden-Württemberg gibt es starke Forschungscluster. Verbesserungspotenzial besteht allerdings noch an den Schnittstellen, um die Forschungsergebnisse vom Campus in die Betriebe zu bringen.

Der Industrie von morgen auf der Spur

In der Studie „Zukunft der Industrie und Industriearbeit“ untersucht der Arbeitgeberverband Südwestmetall mit den Zukunftsforschern von Themis Foresight, welche Technologiefelder unsere Industrie entscheidend prägen werden. Ende Januar 2025 wird Südwestmetall die vollständige Studie vorstellen.

Das Trendradar von Südwestmetall vermittelt heute schon die wichtigsten Zukunftstrends in folgenden Sektoren:

  1. Neue Geschäftsmodelle
  2. Operative Exzellenz
  3. New Work
  4. Infrastruktur
  5. Nachhaltigkeit
Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

Alle Beiträge der Autorin