München/Köln. Der Airbus A 380 rollt mit 30 Stundenkilometern in Richtung Parkposition. Cem Dülger gibt ihm Geleit. Nur wenige Meter entfernt von der weltgrößten Passagiermaschine sitzt der Vorfeldmeister in seinem schwarz-gelben Fahrzeug und weist dem Flugzeug der arabischen Fluglinie Emirates den Weg. Die Tragfläche scheint zum Greifen nah. „Bei einer Spannweite von 85 Metern ist das Einparken gar nicht so leicht“, erklärt er.
Sobald die Räder des A 380 stehen, fährt Dülger weiter – dahin, wo der 40-Jährige gerade gebraucht wird auf dem Vorfeld des Münchner Flughafens, seinem zwei Quadratkilometer großen Arbeitsplatz. „In den vergangenen Jahren ist hier alles viel enger geworden. Die Anforderungen an uns Vorfeldmeister sind gestiegen.“
Alltag auf dem Münchner Flughafen: Wie ein Vorfeldmeister die größte deutsche Passagiermaschine auf ihre Parkposition begleitet, sehen Sie im folgenden Video.
Auf dem Vorfeld des Münchner Flughafens
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Airport „Franz-Josef Strauß“, an 34. Stelle der weltgrößten Flughäfen, neben Frankfurt Deutschlands wichtigstes internationales Drehkreuz: Dem Wachstum der Luftfahrtbranche kann Dülger an seinem Arbeitsplatz buchstäblich zusehen.
Wichtige Verbindungen drohen ans Ausland verloren zu gehen
Die Zahlen sind beeindruckend: Weltweit 3,7 Milliarden Passagiere zählte die Internationale Luftverkehrs-Vereinigung in Genf im vergangenen Jahr, 6,3 Prozent mehr als 2015.
In Deutschland gab es 2016 über 223 Millionen Fluggäste, 28 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Auch das Frachtgeschäft der Exportnation Deutschland legt stetig zu. 4,6 Millionen Tonnen wurden 2016 umgeschlagen. 2006 waren es noch 3,3 Millionen Tonnen. „Für die global aufgestellte Branche ist Deutschland ein attraktiver Standort“, sagt Professor Johannes Reichmuth, Luftverkehrsexperte am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln.
Geschäftsreisende auf Langstreckenflügen steigen an Drehkreuzen wie Frankfurt und München um. Fracht im Interkontinentalgeschäft wird hier umgeladen. „In diesem Punkt profitieren wir von der zentralen geografischen Lage in Europa“, sagt Reichmuth.

So können doch alle hochzufrieden sein, oder? „Im Vergleich zu den internationalen Wettbewerbern wird in Deutschland der Luftverkehr weniger stark wachsen, weil andere Länder in ihrer Entwicklung aufholen“, erklärt der Verkehrswissenschaftler. „Mit wachsendem Wohlstand in bevölkerungsreichen Regionen der Erde wird die Nachfrage nach Verbindungen dort stärker steigen als bei uns. Denn wir agieren bereits auf sehr hohem Niveau.“
Beispielsweise wächst in Asien oder im Nahen Osten der Luftverkehr schneller als bei uns. Reichmuth: „Wenn immer mehr Passagiere etwa aus Schwellenländern in alle Welt fliegen, profitiert auch Deutschland davon. Beim Ausbau der Infrastruktur aber können wir ins Hintertreffen geraten.“
Während weltweit Drehkreuze entstehen, stoßen deutsche Flughäfen an Kapazitätsgrenzen. „Das notwendige, sorgfältige Abwägen von Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit unter Beteiligung der Bevölkerung ist ein Kennzeichen hochentwickelter Staaten wie Deutschland“, so Reichmuth. „Es führt zum Bau, aber auch zu längeren Entscheidungsprozessen, die eine rechtzeitige Vorausplanung benötigen.“ Interkontinentalverbindungen drohen an andere Standorte abzuwandern. Der harte Kampf um Marktanteile: Er macht auch den deutschen Fluggesellschaften das Leben schwer. Zwar kommen bei ihnen immer mehr Passagiere an Bord. Doch die ausländischen Airlines auf deutschen Flughäfen verzeichnen noch schneller steigende Fluggastzahlen. Deutschland gehen Marktanteile verloren!
Die anderen sind nun mal billiger. Denn die heimischen Anbieter müssen enorme Zusatzkosten stemmen. Allein 1 Milliarde Euro im Jahr macht die umstrittene Luftverkehrsteuer aus. Seit ihrer Einführung 2011 ist sie Gegenstand politischer Debatten. Um die Airlines zu entlasten, hat Verkehrsminister Alexander Dobrindt kürzlich vorgeschlagen, die Steuer abzuschaffen. „Das wäre ein richtiger Schritt“, sagt Luftfahrtexperte Reichmuth. „Denn es gibt ja obendrein den Emissionshandel.“ Der zwingt die Fluglinien, für den CO2-Ausstoß ihrer Maschinen zu zahlen. Für Reichmuth „ein zielgerichteter Weg, um einen umweltgerechteren Luftverkehr zu betreiben“.
Und ein gerechter Weg. Er betrifft weltweit alle Anbieter, im Gegensatz zur nationalen Luftverkehrsteuer: „Es wird zukünftig weniger Fluggesellschaften in Europa geben“, prognostiziert Reichmuth. Wer überlebt, hängt von der Wettbewerbsfähigkeit ab.
Vorfeldmeister Cem Dülger hat in seiner Zeit am Münchner Flughafen schon viele Airlines kommen und gehen sehen. Gerade verhilft er mit seinen signalroten Winkstäben einer Lufthansa-Passagiermaschine auf ihren Platz, einer Außenposition. „Wichtig für meinen Job hier ist ein gutes räumliches Sehvermögen“, erklärt er. Die Turbinenräder kommen langsam zum Stillstand.
Billigflieger steuern mehr Großflughäfen an
Die größte deutsche Fluggesellschaft ist hier in München der Hauptkunde. Im Kampf um Strecken und sogenannte Slots, also die begehrten Zeitfenster für Starts und Landungen, hat sich die Lufthansa clever positioniert – vor allem im Wettbewerb mit den Billigfliegern, die die konventionellen Airlines zusätzlich unter Druck setzen.
Mit der Eurowings-Gruppe hat die Lufthansa ihr eigenes Low-Cost-Segment erheblich ausgebaut. Eurowings und ausländische Billgflieger wie Ryanair und Easyjet nehmen häufiger die großen Flughäfen ins Visier. Mittlerweile fliegen auch außereuropäische Low-Cost-Gesellschaften Europa an, wie etwa Flydubai. „Damit verschärft sich der Wettbewerb. Und ein Rekordangebot günstiger Flugverbindungen drückt die Ticketpreise nach unten“, so Reichmuth.
In München blickt Vorfeldmeister Dülger gerade seinem letzten Einsatz vor dem Schichtende entgegen. Die „Antonov 124“, das zweitgrößte Frachtflugzeug der Welt, landet am Abend und braucht Einparkhilfe. „Mal wieder so ein Riesenvogel“, freut er sich, „dafür sind wir ja schließlich da.“