Christina Diem-Puello macht bei ihren Gesprächspartnern gerne den Test: „Welche Fahrradmarke fahren Sie?“, fragt sie. Viele wissen die Antwort nicht: „Aber jeder kennt seine Automarke“, sagt sie. Für sie ein Beweis, dass das Fahrrad als Verkehrsmittel noch nicht so recht ins Bewusstsein der Deutschen gerückt ist.

Doch das ändert sich gerade – und die Unternehmerin aus Schweinfurt trägt ihren Teil dazu bei, dass dieser Wandel Fahrt aufnimmt. 2020 gründeten die heute 36-Jährige und ihr Mann aus einer Fahrrad-Traditionsfirma heraus die „DD Deutsche Dienstrad GmbH“. Das Unternehmen ist ein digitaler Marktplatz für berufliche Mobilität. Es wickelt für Firmen alles rund um das Dienstrad-Leasing ab: von der Abrechnung über die Fahrradauswahl bis hin zum Versicherungsservice. Händler deutschlandweit können ihre Fahrräder auf der Plattform listen – und die Mitarbeitenden suchen sich aus Hunderten von Modellen „ihr“ Lieblingsrad aus.

Digitales Modell für eine Traditionsfirma

Mit der Firmengründung traf Diem-Puello gerade den richtigen Zeitpunkt. Auch wenn das zunächst nicht so aussah: Kurz nach dem Start legte das Coronavirus die Wirtschaftswelt lahm, viele arbeiteten zu Hause, das Pendeln entfiel. Dann wendete sich das Blatt: Viele entdeckten das Fahrrad als Verkehrsmittel für sich, weil sie die Ansteckungsgefahr in Bussen und Bahnen fürchteten. Zeitgleich ebneten verschiedene Tarifverträge den Firmen den Weg Richtung Dienstrad, in Tarifunternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie ist das etwa seit März 2023 möglich.

So ermöglichen bereits verschiedene bayerische M+E-Firmen ihren Mitarbeitenden das Fahrrad-Leasing über die Firma aus Unterfranken, etwa Autozulieferer Schaeffler, Siemens oder der Münchner Triebwerkhersteller MTU.

Warum aber sollte es gerade eine Dienstrad-Firma sein? „Ich bin ein Mädchen aus dem Fahrradgeschäft“, sagt Diem-Puello mit einem kleinen Augenzwinkern. Ihr Ururgroßvater gründete 1921 eine Fahrradfirma, die, mit verschiedenen Umfirmierungen und Neuausrichtungen, über Generationen weitergeführt wurde, zuletzt von Diem-Puellos Mutter. Ihr Ehemann brachte Digital-Expertise mit, da lag es nahe, für die bis dato wenig digitalisierte Branche ein Geschäftsmodell zu finden.

Wandel heißt nicht, alles Alte über Bord zu werfen

Das war für langjährige Mitarbeitende erst mal eine Umstellung. „Man muss Vertrauen schenken und sie mitnehmen, dann funktioniert Wandel“, so die Unternehmerin. Wichtig sei, nicht alle Traditionen über Bord zu werfen, sondern zu filtern, welche Werte man bewahren will und wo Wandel nötig ist.

Für sie steht fest: „Digitalisierung ist die Zukunft.“ Das heißt übrigens in ihrer Firma mit inzwischen über 140 Mitarbeitenden nicht, dass alles nur anonym über den PC abläuft. Im Gegenteil: Beratung und persönlicher Rundum-Kundenservice sind zentrale Bausteine des Geschäftsmodells. „Der Wert echter menschlicher Begegnung ist unersetzbar“, sagt sie. Das gilt auch für die Arbeit: Das im Dezember neu bezogene Bürogebäude ist eine Begegnungsstätte, jeder hat noch seinen festen Arbeitsplatz. „Die Leute kommen gerne rein.“

Wie es jetzt weitergeht? „Wir müssen Mobilität viel größer denken“, sagt Diem-Puello. Die Kombination verschiedener Verkehrsmittel werde immer wichtiger, auch das Thema Refurbishing, wenn das Dienstrad „ausgemustert“ und wiederverkauft wird. „Dafür wollen wir Lösungen entwickeln.“

Tipp: So findet man das richtige Rad

Mountainbike oder doch Cityflitzer? Die Expertin weiß: „Ein großer Teil der Diensträder wird eher in der Freizeit genutzt.“ Also: „Das Modell muss zur Lebenswirklichkeit passen.“ Wochenend-Radler nehmen eher das sportive Rennrad, bei Müttern mit Kindern passt vielleicht das E-Lastenbike besser.

Nicht jedes Rad eignet sich für jeden: Jedes Rad hat eine andere Rahmenhöhe, das muss zur Körpergröße passen und auch zum eigenen Sicherheitsempfinden. „Man sollte sich ruhig vom Händler beraten lassen.“

Alix Sauer
Leiterin aktiv-Redaktion Bayern

Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.

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