Saarbrücken. Es ist angerichtet: gefüllte Gans, Rotkohl, Klöße, inklusive Spätburgunder und Krabbencocktail als Vorspeise. Der Weihnachtsklassiker für nicht mal 43 Euro – eingekauft bei einem deutschen Discounter.

Schlemmen für lau: In vielen anderen europäischen Ländern kommen Kunden nicht so günstig davon. Die Lebensmittelpreise sind hierzulande besonders niedrig. Der Grund ist ein erbitterter Preiskrieg der Handelsunternehmen.

Vier Branchenriesen beherrschen den Markt. An der Spitze steht Edeka, gefolgt von Rewe, der Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland sowie Aldi. Zusammen fahren sie 85 Prozent des Gesamtumsatzes im Lebensmittelhandel ein. Der lag im vergangenen Jahr bei 221 Milliarden Euro. Vor 15 Jahren gab es noch acht große Player, die auf 70 Prozent Marktanteil kamen.

 

Und doch freuen sich Verbraucher täglich über Sonderangebote. „In keinem anderen europäischen Land ist der Wettbewerb so intensiv wie hier“, erklärt Professor Joachim Zentes vom Institut für Handel und Internationales Marketing an der Universität des Saarlandes.

Rund 38.600 Geschäfte sind über das ganze Land verteilt, meistens Filialen der großen Ketten. Die Konzentration nimmt kein Ende. „Viele Händler, vor allem die mit Umsätzen zwischen 5 und 10 Milliarden Euro im Jahr, werden verschwinden“, prophezeit Wettbewerbsexperte Zentes.

Jüngstes Beispiel: der Wirbel um die Übernahme von Tengelmann durch Branchenprimus Edeka. Die Entscheidung darüber soll jetzt Wirtschaftsminister Gabriel treffen, nachdem das Bundeskartellamt den Zusammenschluss der Supermarktketten untersagt hat.

Es steht also mal wieder ein traditionsreicher Anbieter auf der Kippe. Wenn es so weitergeht und immer weniger Handelsunternehmen am Start sind – werden Lebensmittel dann eines Tages unerschwinglich? „Nein. Das zeigt ja die Vergangenheit“, sagt Zentes. „Obwohl die Anbieterzahl permanent rückläufig ist, bleibt der Wettbewerb intensiv, und die Unternehmen liefern sich aggressive Preisschlachten.“

Um jeden einzelnen Kunden wird gekämpft. Die Margen sind entsprechend niedrig. „Deshalb muss der Handel auch hochproduktiv und effizient arbeiten, von der Logistik bis zur Warenwirtschaft“, sagt der Handelsexperte. Ein Know-how, dass ausländischen Konkurrenten oft fehlt. Sogar Weltmarktführer Walmart, der hierzulande mitmischen wollte, musste zerknirscht das Feld verlassen. Heute ist der Lebensmittelhandel eine rein deutsche Veranstaltung, anders als etwa der Möbel- oder der Textilhandel.

Die harten Bandagen bekommen vor allem die Lebensmittel-Hersteller zu spüren. Ihnen diktieren die Handelsketten die Preise. Dass sich die Lieferanten das nicht immer gefallen lassen, zeigte sich beispielsweise im vergangenen Sommer. Da klafften in den Regalen der Supermarktkette Real Lücken, weil verschiedene Hersteller nicht mehr liefern wollten. Der Grund: Der Mutterkonzern Metro wollte die Verrechnung des gesamten Warengeschäfts an einen Dienstleister abgeben – und kurzerhand die Konditionen zu seinen Gunsten ändern. Schließlich einigte man sich, aber Lieferstopps wie diese werden nicht die letzten gewesen sein.

Den Kunden kümmert das wenig. Der geht dann eben zur Konkurrenz. Hauptsache billig. „Die Deutschen kaufen sehr preisorientiert ein“, so Handelsforscher Zentes.

Die Qualität nimmt einen anderen Stellenwert ein

„Kulinarische Aspekte spielten anders als in Italien oder Frankreich lange Zeit eine untergeordnete Rolle.“ Unsere Sparsamkeit wurde uns von den Discountern schließlich eingeimpft. Ganze Generationen sind mit Aldi und Co. groß geworden – und sind es gewohnt, günstig zu kaufen.

Doch seit einigen Jahren beobachten Branchenkenner einen Trend: „Lebensmittel bekommen einen anderen Stellenwert“, sagt Zentes. Das belegen Erhebungen des Nürnberger Marktforschungsinstituts Gfk. Der Aussage „Beim Einkauf achte ich besonders auf Qualität“, stimmten vor zehn Jahren 41 Prozent zu, im vergangenen Jahr waren es 51 Prozent. „Die Kunden hier sind bereit, etwas mehr auszugeben, aber diese Bereitschaft ist eben begrenzt.“

Den Deutschen reicht also nicht mehr das Pfund Schweinenacken. Sie wollen Crème Brûlée, Serrano- Schinken und Barolo, möglichst bio, nachhaltig produziert und fair gehandelt. Und das aber bitte fast für lau.

Kontrolle ist gut: Produktqualität in Deutschland

  • Nach Angaben des Bundesministeriums für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit haben die Überwachungsbehörden der Länder im vergangenen Jahr rund 540.000 Läden und Hersteller kontrolliert.
  • Bei 25 Prozent wurden Verstöße festgestellt. Die Hälfte dieser beanstandeten Proben war falsch gekennzeichnet. 19 Prozent wiesen mikrobiologische Verunreinigungen und 10 Prozent Mängel in der Zusammensetzung auf.
  • Discounter wie Netto, der zur Edeka-Gruppe gehört, haben jetzt Kooperationen mit der Umweltstiftung WWF gestartet. Die prüft bei allen Bio-Produkten zusätzlich, wie es in den Herkunftsländern um Wasserqualität und Sozialstandards steht.