Hof. Ländlich, weniger wohlhabend, etwas ab vom Schuss: So denken wohl einige Bayern über Oberfranken. Und das nicht ganz grundlos. Der Wohlstand ist nach wie vor deutlich niedriger als im Freistaat insgesamt, die Arbeitslosigkeit leicht höher. Aber: In der Region wurde in der Vergangenheit vieles richtig gemacht. Die Wirtschaft hat sich gut entwickelt. Und Bayerns Nordosten hat ökonomisch ordentlich aufgeholt.

Das liegt unter anderem daran, dass die früheren innerdeutschen Grenzregionen Bayerns in Unter- und Oberfranken knapp 30 Jahre nach der Wiedervereinigung deutlich besser dastehen als während der deutschen Teilung. Das zeigt eine Studie im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw).

Umbruch nach der Wende war erfolgreich

Die Landkreise entlang der Grenze waren damals durch ihre Randlage ökonomisch massiv benachteiligt. Der wirtschaftliche Umbruch nach der Wende wurde zudem durch die Abwanderung arbeitsintensiver Industriezweige nach Osteuropa noch verschärft.

Große Anstrengungen und wichtige Weichenstellungen haben dabei geholfen, einen erfolgreichen Strukturwandel zu ermöglichen. Dazu gehören etwa ein Ausbau der Hochschullandschaft, Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und eine Clusterpolitik, also die Schaffung von Netzwerken für den Wissens- und Technologietransfer. „Spätestens seit 2011 befindet sich die Grenzregion in einem umfassenden Aufholprozess“, schreiben die Autoren der vbw-Studie.

Erfolgreicher Nordosten: Oberfranken holt wirtschaftlich auf

In Zahlen liest sich die Erfolgsbilanz für ganz Oberfranken heute so: Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner stieg von 2007 bis 2017 um 40,7 Prozent und damit deutlich stärker als bayernweit (33,3 Prozent). Der Wert von rund 37.500 Euro entspricht mittlerweile etwa 80 Prozent des bayerischen Durchschnitts. Auch die Arbeitslosigkeit ging zurück – stärker als im gesamten Freistaat (siehe Grafik). Mit 3,2 Prozent lag die Arbeitslosenquote 2018 nur knapp über bayerischem Niveau. Abgesehen von der Stadt Hof mit 5,8 Prozent liegt in keiner Stadt und keinem Landkreis der Wert über 5 Prozent.

Das könnte sich freilich ändern, sollte sich die Konjunktur weiter eintrüben und Schlüsselbranchen wie die Metall- und Elektroindustrie tiefer in die Rezession abgleiten. Negative Folgen auf dem Arbeitsmarkt wären dann auch in Oberfranken unvermeidlich.

Im Bereich der Facharbeiter besteht ein akuter Mangel

Mittelfristig steht die Region jedoch vor einem ganz anderen Problem: Fachkräftemangel. Bereits 2025 dürften in Oberfranken 64.000 Fachkräfte fehlen, schätzt die Studie „Arbeitslandschaft 2025“ im Auftrag der vbw. Damit liegt Oberfranken im Vergleich unter den bayerischen Regierungsbezirken nur hinter Unterfranken (75.000 fehlende Fachkräfte) und Oberbayern (71.000). In Relation zur Bevölkerungszahl steht Oberfranken sogar an der Spitze.

Beim Pumpenhersteller Wilo in Hof ist das Problem schon heute spürbar. „Im Bereich der Facharbeiter besteht ein akuter Mangel“, berichtet Florian Engel, Personalleiter am Standort mit rund 500 Beschäftigten. Seine Beobachtung: Immer weniger Menschen wollten handwerklich arbeiten, unbeliebte Schichtarbeit verstärke das Problem zusätzlich. „Der Standort Hof wächst aber vor allem im Bereich der Produktion, daher schlägt der Mangel gerade in diesem Bereich massiv zu“, berichtet Engel.

Dabei profitiert die bayerische Grenzregion zu Sachsen und Thüringen 30 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch von Pendlerströmen aus den neuen Bundesländern, so die vbw-Studie zur Entwicklung der innerdeutschen Grenzregionen. Während 61.000 Menschen nach Unter- und Oberfranken einpendeln, fahren nur 17.000 in die entgegengesetzte Richtung.

Wirtschaft ist industriell geprägt

Wesentlicher Treiber für den Fachkräftemangel in Oberfranken ist die demografische Entwicklung. Während die Bevölkerung Bayerns stetig wächst, blieb sie in Oberfranken stabil und soll dort mittelfristig sogar leicht sinken. Zudem werden die Menschen im Schnitt immer älter. Laut Bevölkerungsprognose wird 2038 das Durchschnittsalter in Oberfranken mit 47,8 Jahren das höchste unter den bayerischen Regierungsbezirken sein. 2018 lag es noch bei 45,4 Jahren.

Es kommen also große Herausforderungen auf Oberfranken zu – und damit auch auf die dortige Industrie. Denn die regionale Wirtschaft ist weiterhin industriell geprägt. Je 1.000 Einwohner gibt es in Oberfranken 114 Industriebeschäftigte. Im Freistaat liegt die Region damit nur hinter der Oberpfalz (126 Industriebeschäftigte) und deutlich über dem bayerischen Schnitt von 100.

Wichtigste Branche ist der Maschinenbau. Dort arbeitet gut jeder fünfte Industriebeschäftigte. Im Vergleich zu ganz Bayern stechen vor allem die Glas- und Keramik-Industrie mit 8 Prozent der Beschäftigten (bayernweit 3,8 Prozent) sowie die Textil- und Bekleidungs-Industrie mit 7,7 Prozent (1,7 Prozent) hervor. Eine große Rolle spielen zudem die zahlreichen Automobilzulieferer. Allein die Unternehmen Bosch und Brose beschäftigen in Bamberg und Coburg mehr als 12.000 Menschen.

Hochschullandschaft muss leistungsfähig bleiben

In den kommenden Jahren wird es stark darauf ankommen, den technologischen Umbruch in der Auto-Industrie und den digitalen Strukturwandel zu meistern. Ein wichtiger Baustein dafür – ebenso wie für das Ziel, junge Menschen und Fachkräfte zu fördern und in der Region zu halten – ist eine leistungsfähige Hochschullandschaft. Dazu gehört nicht nur, in bestehende Universitäten wie Bamberg und Bayreuth zu investieren. Auch ein Ausbau in der Breite, etwa wie 1994 mit der Neugründung der Hochschule Hof geschehen, ist wichtig.

„Unser Standort profitiert heute von der nahen Hochschule massiv“, sagt der Hofer Wilo-Personalchef Engel. So sei man etwa in der Lage, über Praktika, Kontakte und diverse Zusammenarbeit Fachwissen ins Unternehmen zu bringen. „Das war vorher nicht möglich.“

Die Region Oberfranken

Oberfranken ist mit gut einer Million Einwohner der kleinste der sieben bayerischen Regierungsbezirke

Die Region in Bayerns Nordosten ist ländlich geprägt und besitzt keine Großstadt über 100.000 Einwohner

Die wichtigsten Zentren und Ballungsräume sind Bamberg, Bayreuth, Coburg und Hof

Die Wirtschaft ist stark industriell geprägt. Die größte Branche ist der Maschinenbau