Mit Andreas Witt auf dem Kreuzzug gegen den Schmutz

Achtzehn Häuser liegen jetzt hinter ihm. Und achtzehn Mal dieselbe Antwort: „Nein!“ Andreas Witt, Staubsauger-Vertreter von Vorwerk, hat’s  nicht  leicht heute. Seit einer guten Stunde schnürt Witt (31), Typ adretter Schwiegersohn, an diesem Vormittag durch die Straßen des Eifeldörfchens Honerath.Verkauft hat er noch nichts. Witt ficht das nicht an: „Egal,  das  wird  noch.“

Das nächste Haus. Der Vorwerk-Mann schnauft tief durch, marschiert die Auffahrt hoch zu Haus Nummer 19. Dann drückt er die Klingel.

Den Kobold aus dem Koffer lassen

Staubsauger-Vertreter – für viele mag das fast wie ein Schimpfwort klingen. So nach lästigem Hausierer, Klinkenputzer. Dabei ist der Job des Andreas Witt vor allem eines: Vertrieb in Reinkultur. Produktion ist nicht alles, man muss sie auch verkaufen – und bei Vorwerk passiert genau das eben an der Haustür. Wie kein zweites Unternehmen setzen die Wuppertaler auf den Direktvertrieb. 3.200 selbstständige Fachberater klappern tagtäglich Abertausende Haushalte ab – auf ihrem Kreuzzug gegen den  Hausstaub.

Im Rollkoffer immer dabei: der „Kobold“, das Erfolgsmodell des Unternehmens. Millionenfach verkauft, nur an der Haustür, in der Komplettversion mit allen Zusatzgeräten über 1.000 Euro teuer. Ganz schön viel Asche für einen  Staubsauger. Das Ziel der Außendienstler ist deshalb: den Schritt über die Türschwelle schaffen, um dann den Kobold aus dem Koffer zu lassen. „Produktvorführung“ nennen das Witt und seine Kollegen. „Wir müssen zeigen, was das Gerät kann. Dann kaufen die Leute.“

Hinter der Tür von Haus Nummer 19 tut sich was. Elisabeth Schneider* (70) öffnet, sofort sprudelt Vertreter Witt  los: „Die Firma Vorwerk, Witt, schönen guten Morgen, Frau  Schneider.“ „Morgen ... – ich hab aber schon einen Vorwerk ...“ Volltreffer! „Dann hab ich was Tolles für Sie, Frau Schneider“, juchzt Witt und zückt den finalen Türöffner: ein Tütchen des Teppich-Reinigungspulvers  Kobosan!

„Kostenloses Pröbchen, Frau Schneider, ich zeig Ihnen mal, wie das funktioniert.“ Sekunden später wirbelt Witt samt Kobold im Wohnzimmer, schüttet Pulver auf Auslegeware, saugt es weg und redet, redet. Über die Schneider’schen Enkel, so groß schon, die Geranien draußen, so toller Duft, den Teppich, so  gute  Qualität.

2.000 Sauger in 11 Jahren

Frau Schneider will heute nichts kaufen, auch die neue Polsterdüse nicht, die er ihr gezeigt hat. „Herr Witt, dolles Ding, ja, aber wir wollen in Urlaub, das kostet alles, also, so  spontan,  nein ...“ Kein Problem, versichert Witt, er komme ja bald mal wieder. „Dann machen wir zwei das perfekt, oder, Frau Schneider?“ „Ja“, sagt Frau Schneider.

Eine Stunde futsch, ohne Provision wieder zurück auf der Dorfstraße. Doch Witts Laune bleibt blendend. „Ist doch super, die Kundin ist zufrieden, fühlt sich jetzt gut betreut von uns.“ Vor zwei Jahren sei es doch das gleiche Spiel gewesen mit der Frau Schneider. „Da hat sie 14 Tage überlegt. Und dann den Sauger bei mir gekauft.“

Rund 50 Haushalte klappert Witt so täglich ab. Sechs Vorführungen sind das Ziel, „wenn ich zwei Sauger ver-kauft habe, ist das ein perfekter Tag für mich“. Und wenn nicht? „Dann verkaufe ich sie eben morgen.“ Gut 2.000 Geräte hat Witt in elf Jahren vertrieben. „Und heute geht auch noch was“, grinst er.

Vielleicht ja schon bei Haus Nummer 20 ...

Der Kobold kommt aus Wuppertal

Staubsauger, Motoren, Teppichböden: Vorwerk produziert in Deutschland

Wissen Sie, warum es Vorwerk-Staubsauger gibt? Weil jemand das Radio erfunden hat!

Ein Blick zurück in die 1920er-Jahre: Die Firma Vorwerk, eigentlich eine Teppich-Weberei, verkauft inzwischen auch Grammophon-Motoren aus der eigenen Werkstatt. Mit dem Aufkommen des Rundfunks bricht dieser Markt zusammen.

Was also tun mit dem starken Motörchen? Der Chef-Ingenieur baut es in ein neues Gerät ein: einen Handstaubsauger. Schon 20 Jahre später sind davon eine Million Stück verkauft; der Siegeszug des „Kobold“ hält bis heute an.

Weltweit 500.000 Fachberater

Produziert wird das noble Gerät in Wuppertal. Auch die Motoren für andere Produkte, etwa für das Küchengerät „Thermomix“, werden hier gebaut. Rund 700 Menschen sind in der Fertigung beschäftigt, weitere 130 in Forschung und Entwicklung. Insgesamt sind am Standort der Konzern-Zentrale 2.300 Vorwerker in Lohn und Brot, ein Pfund für die Region: „Wir sind der größte private Arbeitgeber im Bergischen Land“, sagt Firmensprecher Jürgen Hardt.

Wobei Vorwerk längst weltweit von sich reden macht: Mit Übernahme der US-Kosmetik-Firma Jafra 2004 stieg die Zahl der Fachberater auf mehr als eine halbe Million Menschen an. In Asien verkauft man beispielsweise Wasserfilter. 

Acht Bereiche erwirtschaften in über 60 Staaten  2,3 Milliarden Euro Geschäftsvolumen. Ein Global Player also – trotzdem ist Vorwerk nach wie vor im Besitz einer Familie.

Und immer noch werden, seit nun genau 125 Jahren, Teppiche hergestellt. Die Auslegeware, in Hameln von gut 350 Menschen produziert, gilt als Nobelmarke.