Erst Ampel-Aus, dann Wahlkampfzeit – für den Journalisten Stefan Sichermann ein üppig sprudelnder Quell der Inspiration. Der Macher des erfolgreichsten Satire-Portals „Der Postillon“ spricht mit aktiv über die Lage im Land, humorbefreite Rechtsausleger – und den Unterschied zwischen Satire und Fake News.

Herr Sichermann, Ampel-Crash, AfD, Neuwahlen – in der Postillon-Redaktion fliegen Ihnen die gebratenen Tauben derzeit in den Mund, oder?

Grundsätzlich stimmt das. Aber es ist eigentlich gar nicht das, was ich mir wünsche. Weil wir auf diese Themen aber auch zwingend eingehen müssen, bleibt andererseits kaum noch Raum für feinere Satire zu kleinen Alltagsgeschichten. Das nervt mich ein bisschen.

Wie sehen Sie denn die Lage im Land, so kurz vor der Wahl?

Ich bin grundsätzlich ein optimistischer Mensch. Ja, bei uns stürzen Brücken ein und die Infrastruktur ist Schrott. Polieren wir sie also auf. Das kriegen wir ja wohl hin, oder?

Und die Wirtschaft? Da war auch mal mehr Lametta …

Ja, schon. Man vergisst aber leicht, dass wir es mit einer fast beispiellosen Krise zu tun hatten. Erst war Corona, dann mussten wir mal eben das gesamte russische Gas ersetzen. Zumindest mit dem Gas-Thema musste sich zum Beispiel die US-Wirtschaft ja nicht rumschlagen. Die kolportierte De-Industrialisierung – ich glaube, die ständig an die Wand zu malen, trägt hoffentlich auch dazu bei, dass wir uns alle gemeinsam aufmachen, um diesen Niedergang ein weiteres Mal zu verhindern.

Aber wir haben so viele Baustellen. Energiepreise, Bürokratie, die Liste ist lang.

Kann ja sein. Aber das ist mir schon viel zu politisch, da will ich mich gar nicht öffentlich aus dem Fenster lehnen. Ich sag mal so: Die Schwierigkeiten, mit denen wir zu kämpfen haben, kann man oft an Symbolen festmachen.

Welche wären das?

Nehmen Sie den Flughafen BER, Stuttgart 21 ist auch ein gutes Beispiel. In solchen Geschichten steckt dann auch immer ein guter Gag drin. Gut für Leute wie mich …

Der Postillon sagt von sich selbst, alle Texte seien dreist zusammengelogen. Aber erstaunlich oft wird Ihnen ja doch geglaubt. Wie erklären Sie sich das?

Kommt drauf an. Manche Leute verstehen vielleicht die Satire nicht. Vielleicht, weil sie insgesamt wenig Satire konsumieren. Anderen passt die Botschaft nicht. Manche spulen auch einfach ganz schnell ihr Zornschema ab. Aber ich denke, 98 Prozent unserer Leser schnallen schon, dass wir Satire machen.

Geht man nach den Kommentaren unter den Artikeln, zählen die anderen 2 Prozent eher zum rechten politischen Spektrum, oder?

Ja, das nehme ich auch so wahr. Aber gut, wir haben auch schon über Habeck und Baerbock was gemacht. Danach wurden wir durchaus auch mal von humorlosen Linken angekackt.

„Wir seien regierungsbetreute Spaßmacher? Davon lasse ich mich nicht beeindrucken!“

Stefan Sichermann, „Der Postillon“

Ist der Ton insgesamt rauer geworden?

Auf Social Media war der Ton schon immer scharf. Oft heißt es jetzt, wir wären früher ja mal lustig gewesen, jetzt aber nur noch regierungsbetreute Spaßmacher. Aber davon lasse ich mich nicht beeindrucken.

Vor der Wahl wird gerade Social Media mit Fake News geflutet. Und in den USA ist der Fake-News-Großmeister wieder Präsident. Gibt es eine Schnittmenge zwischen Fake News und Satire?

Ja, die gibt es sicherlich. Aber es gibt auch einen großen Unterschied. Wer Fake News raushaut, der versucht, irgendeinen Scheiß zu verbreiten, der einfach nicht stimmt. Und das selten in edler Gesinnung.

Und Satire dagegen?

Satire versucht, auf Missstände hinzuweisen. Und das mit den Mitteln des Humors. In unseren Texten steckt immer eine Pointe und wir bedienen immer irgendeine Humorschiene.

Kann Satire eine Debatte denn wirklich beeinflussen? Oder ist sie einfach ganz lustig, aber das war’s dann?

Na ja, der Postillon hat sicher noch keine Regierung gestürzt. Aber ich glaube, wir haben durchaus die Möglichkeit, mit unserer Reichweite Debatten zu befeuern. Und wir tragen dazu bei, dass sich die Leute mit dem ein oder anderen Thema überhaupt mal beschäftigen.

Und das ist dann der Optimalfall?

Schon, ja. Fake News will Gräben vertiefen. Aber wenn die Artikel im Postillon Menschen dazu bringen, über Themen zu reden, dann macht Satire das Gegenteil. Dann baut sie Brücken. Und da ist noch was …

Und das wäre?

Eines unserer wichtigsten Anliegen ist es, manchmal auch einfach nur Blödsinn zu machen. Wir wollen Leute zum Lachen bringen. Wir kriegen unglaublich viel Post, wo sich Leser bedanken und uns sagen, mit uns wäre der ganze Wahnsinn da draußen besser zu ertragen. Satire hat also auch was Therapeutisches.

Auch für denjenigen, der sie macht?

Ja, auch das. Es tut eben einfach immer gut, wenn man auf etwas hinweisen kann, das einen selber auch sehr beschäftigt.

Ulrich Halasz
aktiv-Chefreporter

Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann studierte Uli Halasz an drei Universitäten Geschichte. Ziel: Reporter. Nach Stationen bei diversen Tageszeitungen, Hörfunk und TV ist er jetzt seit zweieinhalb Dekaden für aktiv im Einsatz – und hat dafür mittlerweile rund 30 Länder besucht. Von den USA über Dubai bis China. Mindestens genauso unermüdlich reist er seinem Lieblingsverein Schalke 04 hinterher. 

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