Die Vorgabe unserer Verfassung ist eindeutig: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ So steht es im Grundgesetz. Und doch verdienen die Frauen pro Stunde weniger – jedenfalls auf den ersten Blick: 20,48 Euro brutto erhalten sie im Schnitt, bei den Männern sind es 25,30 Euro, wie das Statistische Bundesamt feststellt. 18 Prozent beträgt dieser „unbereinigte Gender Pay Gap“, fast ein Fünftel. Immerhin ist diese Lohnlücke in den letzten Jahren etwas kleiner geworden. Merken sollte man sich da aber sowieso eine andere Zahl: Der „bereinigte Gender Pay Gap“ liegt nämlich nur bei 6 Prozent!

Wer nur die unbereinigte Lohnlücke anguckt, vergleicht Äpfel mit Birnen

Das liegt daran, dass ohne die nötige Bereinigung Äpfel mit Birnen verglichen werden – beziehungsweise: Handelsgeschäftsführer mit Kassiererinnen, Ärztinnen mit Krankenpflegern und so fort. „Ein Großteil der Verdienstlücke ist darauf zurückzuführen, dass Frauen häufiger als Männer in Branchen, Berufen und Anforderungsniveaus arbeiten, in denen schlechter bezahlt wird“, stellt das Statistische Bundesamt fest. „Auch die häufigere Teilzeit geht mit geringeren durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten einher.“ Dass die Berufswahl großen Einfluss auf die Bezahlung hat, leuchtet ein. Führungspositionen, in denen Frauen noch seltener sind, sind besser bezahlt. Und Teilzeitjobs, die Frauen häufiger machen, tendenziell schlechter. Ein Gutteil des Gaps lässt sich also begründen – aber eine Lücke bleibt.

Zum Gender Pay Gap trägt auch bei, dass Frauen mehr Care-Arbeit leisten als Männer

„Da lässt sich kein eindeutiger Grund festmachen“, sagt Michaela Fuchs vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. „Ebenso wenig gibt es einen Königsweg, der aus dem Gender Pay Gap herausführen würde.“ Vieles könne man nicht erklären – „weil es da auch um psychologische Komponenten geht, die man nicht messen kann“. Was die Expertin betont: Frauen leisten mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer, sie kümmern sich also häufiger um die Hausarbeit, den Nachwuchs oder die Eltern.

Laut „Zeitverwendungserhebung 2022“ des Statistischen Bundesamts verbringen Frauen im Durchschnitt knapp 30 Stunden pro Woche mit solch unbezahlter Arbeit, Männer knapp 21 Stunden. Bei Frauen führt die Care-Arbeit oft zu Teilzeitjobs. Vor allem, wenn eigene Kinder ins Spiel kommen: „Auch zuvor gleichberechtigte Paare fallen dann oft in die traditionellen Geschlechterrollen zurück“, sagt Fuchs. Für Frauen mit Kindern könnte es sich außerdem schlecht auf die Bezahlung auswirken, dass Mütter im Job offenbar anders bewertet werden: „Einige Studien zeigen, dass Mütter in ihrer Professionalität nicht mehr so stark wahrgenommen werden“, sagt Fuchs. „Das, was sie auf dem Arbeitsmarkt mitbringen, wird durch das Muttersein abgewertet. Bei Männern mit Kindern ist es umgekehrt.“

Aus Sicht der Arbeitgeber sollte die Politik vor allem die Kinderbetreuung verbessern

Die Arbeitgeber betonen, was auch die Statistiker festgestellt haben: „Die tatsächlichen Ursachen für einen Verdienstunterschied lassen sich vor allem auf unterschiedliche Erwerbs- und Berufsverhalten und die nicht gleichmäßige Verteilung von familiärer Sorgearbeit zurückführen.“ Solche Ursachen müssten gesamtgesellschaftlich angegangen werden. Wie die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände weiter ausführt, ist der Grundsatz „gleicher Lohn bei gleicher Arbeit“ für die Betriebe eine Selbstverständlichkeit: „Besonders Tarifverträge garantieren eine faire und angemessene Vergütung, die diskriminierungsfrei ist.“

Es werde immer Beschäftigte geben, die Auszeiten nehmen oder die der Kinder wegen nur noch eine Teilzeitstelle haben möchten, stellt der Arbeitgeberverband Gesamtmetall zum Thema Entgeltgleichheit fest. Die Politik müsse dringend dafür sorgen, „dass solche Auszeiten ausschließlich freiwillig erfolgen – und nicht mehr erzwungenermaßen, weil es keine verlässlichen und passenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten gibt“.

In der Metall- und Elektro-Industrie selbst sorge das Entgeltrahmenabkommen (ERA) für eine geschlechtsneutrale Vergütung, heißt es weiter: Tätigkeiten werden personenunabhängig bewertet – „geschlechtsneutral und anhand objektiver arbeitswissenschaftlicher Kriterien“. Von der neuen EU-Entgelttransparenz-Richtlinie, die auch Deutschland bis Juni 2026 umsetzen muss, hält Gesamtmetall denn auch wenig. Diese Richtlinie untergrabe die Autonomie der Sozialpartner – und sehe „umfangreiche Verpflichtungen vor, die für Arbeitgeber einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand bedeuten“.

Tanja Wessendorf
aktiv-Redakteurin

Tanja Wessendorf berichtet für aktiv aus der Industrie und schreibt über Verbraucherthemen. Sie studierte in Berlin Politikwissenschaft und volontierte in Hamburg bei der Tageszeitung „Harburger Anzeigen und Nachrichten“. Seit 2008 arbeitet sie als Redakteurin, viele Jahre in der Ratgeber-Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“, aber auch beim TV-Sender Phoenix. Privat liebt sie alles, was schnell ist: Kickboxen, Eishockey und laufen mit ihrem Hund. 

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