Bonn. Es dauert nicht mehr lang, dann beginnt das neue Lehrjahr. Viele Ausbildungsbetriebe stecken deshalb gerade im Schlussspurt in Sachen Stellenbesetzung. „Die Unternehmen suchen händeringend Nachwuchs“, berichtet Ulrike Friedrich, Ausbildungsexpertin beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin. Freie Stellen gebe es noch massig, berichtet sie – „in allen Branchen und in nahezu allen Berufen“.

Die Zahl der Bewerber reicht einfach nicht mehr aus

Doch so wie es derzeit aussieht, werden die Anstrengungen vielerorts vergebens sein – und mehrere Zehntausend Stellen frei bleiben. Denn es fehlen die entsprechenden Bewerber. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn beziffert in einer Prognose für dieses Jahr die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze auf rund 63.400. Das wäre ein Anstieg von etwa 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und der höchste Wert seit 1994!

Mittelfristig dürfte sich die schwierige Situation auf dem Ausbildungsmarkt sogar noch zuspitzen. „In den kommenden Jahren ist mit einem weiteren Anstieg an unbesetzten Stellen zu rechnen“, schätzt Elisabeth Krekel, Leiterin der BIBB-Abteilung „Berufsbildungsforschung und Berufsbildungsmonitoring“.

Einen entscheidenden Grund für diesen fatalen Trend sieht die Expertin in der demografischen Entwicklung. „Weniger Schulabgänger bedeuten grundsätzlich auch eine geringere Nachfrage nach Ausbildungsstellen“, sagt sie. Und laut Prognosen der Kultusministerkonferenz dürfte die Zahl der Schulabgänger weiter sinken – von aktuell rund 800.000 um etwa 30.000 bis 2025.

Zwar stieg zuletzt die Geburtenrate. Und unter Zuwanderern sind auch viele kleine Kinder. Bis sich das in der Zahl der Schulabsolventen niederschlägt, werden jedoch noch einige Jahre vergehen.

Junge Leute studieren heute lieber

Für einen Rückgang der Bewerberzahlen sorgt zudem, dass immer mehr Absolventen die Schule mit einer Studienberechtigung verlassen – und von ihr Gebrauch machen. „Ausbildungsberufe verlieren gegenüber dem Studium zunehmend an Attraktivität“, erklärt Krekel. „Das liegt nicht nur am Geld, sondern ist auch eine Statusfrage.“

Darüber hinaus finden auf dem Ausbildungsmarkt Angebot und Nachfrage nicht immer zusammen. Während etwa in wirtschaftsstarken Regionen oft Azubis fehlen, gibt es in anderen Gegenden nicht immer ausreichend Stellen. Junge Leute seien zudem heute oft auf wenige Berufe festgelegt, so Krekel. Alternativen kämen nicht mehr in Betracht. „Dank der Unterstützung ihrer Eltern verspüren viele auch keinen großen Druck, schnell eigenes Geld zu verdienen.“