Es ist die Kombination von Anmut und Kraft. Eigentlich verblüffend, wie das im Freistaat Bayern zusammengeht. Und kaum zu glauben, wie sich all das in den letzten 100 Jahren entwickelt hat.
Die Anmut: Wohin man schaut Natur, Balsam für die Seele, eine Heimat zum Leben und Wohlfühlen, Magnet für Touristen aus aller Welt. Fast ein Drittel der bayerischen Bevölkerung verbringt ihren Urlaub am liebsten im eigenen Bundesland, das gibt es nirgendwo sonst in Deutschland.
Und zugleich die Kraft: Die Industrie stellt 27 Prozent der Wirtschaftsleistung. Fast dreimal so viel wie in den USA, Frankreich oder Großbritannien, auch 4 Prozentpunkte mehr als im Bundesdurchschnitt. Die Exportstärke, die Innovationskraft, das höchste Pro-Kopf-Einkommen aller Flächenländer, das Plus im Staatshaushalt und jetzt sogar praktisch Vollbeschäftigung – all das basiert auf einzigartigen industriellen Wertschöpfungsketten, die weit in die Fläche reichen, sozusagen in jedes Tal hinein.
1918 gibt es noch 680.000 Bauernhöfe
Die Schönheit der Landschaft ist uralt – die Stärke nicht. Noch 1970 lag die Wirtschaftsleistung pro Kopf um 11 Prozent niedriger als in der klassischen Industriehochburg Nordrhein-Westfalen; 2017 lag sie 19 Prozent darüber. Erst 1989 wurde Bayern im Länderfinanzausgleich, über den die reicheren die ärmeren Regionen unterstützen, vom Nehmer- zum Geberland.
Und wenn man die vollen 100 Jahre zurückblendet, in das Jahr 1918, ans Ende des Ersten Weltkriegs: Dann rückt das Bayern-Wunder noch klarer ins Bild! Während im Ruhrgebiet schon lange die Schwerindustrie brummt, hat sich in Bayern lediglich um Nürnberg und Augsburg nennenswerte Industrie angesiedelt.
Die Einwohnerzahl liegt damals halb so hoch wie heute. Es ist insgesamt noch ein typischer Agrarstaat, in 680.000 meist kleinen bäuerlichen Betrieben ackert man ums Überleben. Heute gibt es noch 90.000 Landwirte. Ihre moderne Produktion und ihre Rolle als Landschaftspfleger ist unübersehbar beim Wandern oder Radeln durch die bayerische Heimat.
Und so vieles gibt es damals nicht, was heute für uns selbstverständlich ist! Zum Beispiel elektrisches Licht: 1918 ist das erst in jedem zehnten bayerischen Haushalt installiert, nach einem massiven Ausbau steigt der Anteil bis 1933 immerhin auf drei Viertel.
Oder Freizeit: Für Fabrikarbeiter kommt mit dem Anfang des Freistaats immerhin die große Errungenschaft des Acht-Stunden-Tags – freilich an sechs Tagen in der Woche. Gesetzlicher Anspruch auf Urlaub? Fehlanzeige.
Die Arbeitsbedingungen sind ungleich härter als heute. Und das Gesundheitssystem ist noch kaum entwickelt, im Durchschnitt kommen auf einen Arzt rund 1.700 Einwohner statt wie heute rund 200. Die mittlere Lebenserwartung eines Neugeborenen liegt damals bei etwa 50 Jahren.
Bayerns Hochschulen sind zu dieser Zeit ausgerichtet auf rund 20.000 Studenten – ein Zwanzigstel des heutigen Werts. Auch kulturell hat Bayern bei der Gründung des Freistaats wenig zu bieten. Es gilt als provinziell – selbst die Landeshauptstadt München. Während die Berliner in den Goldenen Zwanzigern in Literatursalons über Kunst und Kultur sinnieren und zu Charleston-Klängen übers Parkett tanzen, wanderten aus München zahlreiche Wissenschaftler, Künstler und Schriftsteller ab. „Wir verfallen in Provinzialismus“, klagt der Literaturhistoriker Karl Vossler, Mitte der 1920er Rektor der Ludwig-Maximilians-Universität.
Der Aufstieg geht einher mit dem Bewahren der Tradition
Auch hier: Welch ein Unterschied zu heute! München ist eine der bundesweit am stärksten wachsenden Metropolregionen. Einrichtungen wie das Deutsche Museum oder die Pinakotheken gelten weltweit als Touristenattraktionen, letztes Jahr zählte man 15,7 Millionen Übernachtungen, darunter die Hälfte von Gästen aus dem Ausland. Die Bavaria Filmstudios gehören zu den größten Europas. Und die Wagner-Festspiele in Bayreuth haben längst Weltrang. Seit 1996 fördert ein von der Landesregierung eingerichteter Kulturfonds jährlich mehr als 100 Kulturprojekte.
Und natürlich auch dies: Zu Recht ist Bayern als Genussregion bekannt. Dirndl, Lederhose und Bier stehen im Ausland stellvertretend für deutsche Lebensart. Oberfranken weist die höchste Brauerei-Dichte der ganzen Welt auf, Bayern hat über 1.500 verschiedene Wurst- und mehr als 1.000 Brotsorten.
Der Aufstieg geht Hand in Hand mit dem Bewahren der Tradition. Man versteht es hier halt, zu leben.
Warum Bayern heute so gut dasteht: Das beleuchten wir ausführlich in unserem Themen-Special „100 Jahre Freistaat Bayern“. Hier geht’s zur Einführung.
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