Lathen. Wer Klaus Feldhaus an seinem Arbeitsplatz besucht, wird mit einem verblüffenden Anblick belohnt. Beine und Bauch des Maschinenführers bei SGL Kümpers in Lathen verschwinden in einem Meer aus weißen Faserbändern – es sieht so aus, als würde sein Oberkörper in der Luft schweben ...
Tut er natürlich nicht. Und Feldhaus’ Füße stehen auf festem Grund. Direkt neben der Anlage, die das Hauptprodukt des emsländischen Textilbetriebs herstellt: Gelege aus Glasfasern. „Die sind die Grundlage für den textilen Leichtbau“, erklärt Geschäftsführer Franz-Jürgen Kümpers.
Der Werkstoff wird überall dort eingesetzt, wo Masse schnell beschleunigt werden muss – etwa in Windkraftanlagen. Dort drehen sich bis zu 70 Tonnen schwere Rotorblätter. Die Hälfte ihres Gewichts machen die vielschichtigen Glasfasergelege aus: Mit Harz getränkt und ausgehärtet stemmen sie sich gegen den Wind. Sie müssen den Kräften der Natur trotzen – und 200 Millionen Drehungen schadlos überstehen.
Damit das gelingt, verlegen die Anlagen, an denen Klaus Feldhaus und seine Kollegen arbeiten, Endlosfasern Schicht um Schicht in vorher genau festgelegte Richtungen: Nur so kann der Werkstoff später die auf ihm lastenden Kräfte auffangen. Schwachstellen in den Gelegen sind deshalb tabu.
Taucht mal ein Faserbruch auf, stoppt die Anlage, und Feldhaus muss eingreifen: „Mit Pressluft spleiße ich die losen Enden wieder zusammen“, erklärt er, „erst dann kann es weitergehen.“ Der heute 55-Jährige kam 1990 in die Firma – in der Zeit, als Franz-Jürgen Kümpers den Betrieb mit Unterstützung aller Gesellschafter umkrempelte.
Der Urenkel des Firmengründers stellte die seit 1887 aktive Baumwollspinnerei und -weberei auf moderne Glasfasern um. „Mir war damals klar: Mit Baumwolle wirst du nicht mehr in Rente gehen können“, sagt der 56-Jährige Firmenchef. Der Plan: mit neuen Materialien durchstarten und das vorhandene Know-how der Mitarbeiter nutzen. Heute laufen jährlich 15.000 Tonnen Glasfasergelege als Rollenware von den Anlagen. Damit macht das 170-Mann-Unternehmen mit Stammsitz im münsterländischen Rheine mehr als die Hälfte des Umsatzes von 50 Millionen Euro im Jahr.
Hinzukommen 1.500 Tonnen Karbonfasern. Auf die will Kümpers verstärkt setzen: „Faserverbundwerkstoffe aus Karbon sind um die Hälfte leichter als Stahl oder Alu“, sagt er. In Autos verbaut, könnten sie helfen, Spritverbrauch und CO2-Ausstoß zu verringern. Dafür arbeitet das Traditionsunternehmen Kümpers seit 2007 mit dem Karbonfaserspezialisten SGL Carbon zusammen, eben im Gemeinschaftsunternehmen SGL Kümpers. Ein greifbares Ergebnis steht auf dem Firmenparkplatz in Lathen: der BMW i3. Die Fahrgastzelle des Elektroautos besteht aus Karbonfaserverbundwerkstoff – und wiegt weniger als 150 Kilogramm.