Gutach im Schwarzwald. Jetzt ist sie da. Heiß ersehnt wie eine lang erwartete Geliebte thront sie in der eigens gebauten Halle und wartet auf ihren Einsatz: die neue Riesenpresse.

Sie hat die Kraft von 2.000 Tonnen, ist damit doppelt so stark und schafft doppelt so viele Teile wie die anderen Maschinen im Schondelmaier Presswerk in Gutach (Baden-Württemberg). Hier formt man aus kaltem Stahl harte Teile für die Auto-Industrie. Was in Motor, Getriebe oder Kupplung zum Einsatz kommt, muss enormen Kräften standhalten, muss also erste Klasse sein.

Und die steigenden Ansprüche im Autobau erfordern Maschinen auf dem neuesten Stand. Joachim Schondelmaier, der das Familienunternehmen in der dritten Generation führt, stand deshalb vor drei Jahren vor einer schwierigen Entscheidung.

Der Betrieb garantiert: Alle Arbeitsplätze werden erhalten

„Wir mussten in neue Maschinen investieren, um mithalten zu können“, sagt der Firmenchef. Doch nach der Krise 2009 waren die Rücklagen geschrumpft. Für die Supermaschine wurde auch eine Halle gebraucht und mehr Fläche zum Parken. 7,5 Millionen Euro kamen da zusammen. Das war nur mit einem Beitrag der Beschäftigten zu stemmen.

In diesem Fall vereinbarten die Tarifparteien eine Sonderregelung für zweieinhalb Jahre. Basis dafür war das 2004 zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern geschlossene „Pforzheimer Abkommen zur Standortsicherung“ (Kasten rechts).

Bei dem Mittelständler, der an seinem Gründungssitz von 1934 noch heute ausschließlich produziert und 280 Mitarbeiter beschäftigt, sieht das konkret so aus: Die Arbeitszeit wurde von 35 auf 37,5 Stunden erhöht, Urlaubs- und Weihnachtsgeld gekürzt. Im Gegenzug verpflichtete sich die Geschäftsführung, alle Arbeitsplätze zu erhalten, eine halbe Stunde der wöchentlichen Arbeitszeit für die Qualifizierung der Mitarbeiter einzusetzen und – schon bevor dies Teil des Tarifvertrags wurde – alle Azubis unbefristet zu übernehmen.

„Eine Win-win-Situation für beide Seiten“, sagt Schondelmaier. Für das betriebliche Bündnis brauchte man die Zustimmung der Tarifparteien; zudem musste ein externer Gutachter die Situation durchleuchten.

Ende 2014 läuft die Vereinbarung aus. 2015 erhalten die Beschäftigten ihre Einbußen bei den Sonderzahlungen nachbezahlt. Außerdem wird es dank der neuen Monsterpresse 20 neue Stellen im Werk geben. Der ganze Kraftakt hatte seinen Höhepunkt im Transport der Maschine: Eine ganze Woche war der Sondertransport aus Italien unterwegs, kam dann letztlich samstags in den frühen Morgenstunden an und wurde übers Wochenende abgeladen.

Projektleiter Waldemar Kiess kann dazu nur noch glücklich strahlen: „Wir wissen, was wir an der neuen Presse haben.“

    Hintergrund

    Zehn Jahre Tarifvertrag für Investitionen

    • Das „Pforzheimer Abkommen“ gilt heute als Meilenstein in der Tarifgeschichte. Mit Abschluss des Tarifvertrags 2004 hatten sich die Tarifparteien in Baden-Württemberg auf einen Kodex geeinigt, der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit für Unternehmen stärken sollte.
    • Das Abkommen erlaubt bei Zustimmung der Tarifparteien zeitlich befristete Abweichungen von allen Elementen der Tarifverträge, um Arbeitsplätze oder Standorte zu sichern oder konkrete Investitionen zu ermöglichen. Das Pilotabkommen wurde auf alle Tarifbezirke übertragen. Allein im Südwesten nutzten es bisher rund 500 Betriebe.
    • Auslöser für das Abkommen war die schwierige Situation der Industrie. Deutschland galt damals als der „kranke Mann Europas“ und verlor im internationalen Wettbewerb immer mehr an Boden. Die starren Tarifverträge wurden als einer der Hauptgründe dafür erkannt.
    • „Das Abkommen hat maßgeblich dazu beigetragen, dass viele Arbeitsplätze erhalten werden konnten“, so das Fazit von Ulrich Brocker, der damals als Hauptgeschäftsführer von Südwestmetall das Tarifwerk mit ausgehandelt hat. „Die Industrie hat die Krise 2009 besser als befürchtet überstanden und ist anschließend sogar noch wettbewerbsfähiger geworden.“
    • Der Kodex wurde 2008 in den „Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung“ integriert.