Berlin. Das Rentensystem stabilisieren und Altersarmut bekämpfen – dazu soll das neue Rentenpaket beitragen, das der Bundestag im November beschlossen hat. Das Gesetz tritt 2019 in Kraft und wird extrem teuer: 32 Milliarden Euro dürfte es über die Jahre kosten.
Extras für Mütter und Geringverdiener
Ein Ergebnis der Reform ist eine vorläufige „doppelte Haltelinie“. Außerdem sollen Mütter, Frührentner und Geringverdiener besonders von den Neuerungen profitieren. Die einzelnen Punkte im Experten-Check:
Doppelte Haltelinie. Bis 2025 sind sowohl das „Rentenniveau“ (siehe Kasten) als auch der Beitragssatz festgeschrieben. Das Rentenniveau darf 48 Prozent nicht unterschreiten – und der Beitragssatz für die gesetzliche Rentenversicherung darf 20 Prozent nicht überschreiten. „Diese Festschreibung ist ein Risiko“, urteilt Experte Jochen Pimpertz vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, „denn wenn es zu konjunkturellen Schwankungen kommen sollte, der Beitragssatz aber nicht steigen darf, muss der Steuerzahler in die Bresche springen.“
Mütterrente. Das Gesetz bringt Müttern (und Vätern), deren Kinder vor 1992 auf die Welt kamen, ein zusätzliches halbes Kindererziehungsjahr. Unterm Strich ergibt das um die 15 Euro mehr Rente im Monat. „Das hilft armen Rentnerinnen kaum, selbst wenn sie viele Kinder haben“, so Pimpertz. Und es profitieren ja auch alle gut abgesicherte Seniorinnen. Mit 3,5 Milliarden Euro pro Jahr belastet die Mütterrente die Rentenkasse – und ist damit das teuerste Projekt der Reform.
Erwerbsminderungsrente. Diejenigen, die krankheitsbedingt früher in Rente gehen müssen, werden ab 2019 so behandelt, als hätten sie bis zum eigentlichen Renteneintrittsalter gearbeitet. Pimpertz bewertet diese Entscheidung positiv: „Ein wichtiger Schritt! Denn eine Erwerbsminderung ist oft ein Armutsrisiko.“ Allerdings gilt die Reform nur für die künftigen Frührentner, aber nicht für jetzt schon Betroffene.
Geringverdiener. Die sogenannten Midijobber werden bessergestellt. Sozialversicherungspflichtige, die mehr als 450 Euro brutto beziehen, müssen erst ab einem Einkommen von 1.300 Euro die vollen Sozialabgaben leisten. Bisher lag diese Grenze bei 850 Euro. „An sich nicht schlecht“, so Pimpertz, „aber es profitieren zum Beispiel auch Geringverdiener, die einen Teilzeitjob haben und in einem wohlhabenden Haushalt leben.“ Stichwort: Zahnarztgattin …
Pimpertz’ Bilanz: „Das Rentenpaket kostet jahrelang viele Milliarden, es hilft aber nicht gegen Altersarmut.“ Und für die kritische Zeit nach 2025 liefert es keine Antworten: „Dann gehen die geburtenstarken Jahrgänge sukzessive in Rente, und dann müssen immer mehr Renten finanziert werden.“ Lösungen für dieses fette Problem erarbeitet gerade die von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil einberufene Rentenkommission. Erst im März 2020 soll sie ihren Bericht vorlegen.
Wissenswertes zum Rentenniveau
- Das „Sicherungsniveau vor Steuern“, im Volksmund Rentenniveau genannt, wird oft ganz falsch verstanden. Tatsächlich vergleicht es nur die Rente eines fiktiven Standardrentners, der 45 Jahre lang exakt durchschnittlich verdient hat, mit dem jeweils aktuellen Durchschnittsverdienst in Deutschland.
- Ein Absinken des Rentenniveaus heißt daher nicht, dass die ausgezahlten Renten sinken! Im Gegenteil: Die Renten werden auch künftig steigen – nur eben langsamer als die Löhne.
- Aus den „48 Prozent“, die nun als Rentenniveau bis 2025 festgeschrieben sind, kann man für sich persönlich nichts ausrechnen.