370 Kilometer Stahl-Röhre: Die neue, unterirdische Ethylen-Pipeline Süd verbindet das bayerische Chemiedreieck mit dem Chemie-Standort Ludwigshafen

Fünf Jahre lang wurde gebaut. 12.000 Grundstückseigentümer und Pächter mussten zustimmen. Jetzt ist eines der größten industriellen Infrastruktur-Projekte der letzten Jahre vollendet: die „Ethylen-Pipeline Süd“ (EPS).

Über eine Strecke von 370 Kilometern schlängelt sich die schwarze Rohrleitung unterirdisch von Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) bis nach Münchsmünster (Bayern). Darin sollen ab Herbst 150.000 Tonnen pro Jahr, später bis zu 500.000 Tonnen fließen.

Der neue Transportweg für Ethylen, ein Gas für die Kunststoffproduktion, ist ein wichtiger Lückenschluss. Er bindet das bayerische Chemiedreieck, eine starke Wirtschaftsregion mit 25 Unternehmen und rund 25.000 Mitarbeitern, nicht nur ans Rhein-Main-Gebiet an, sondern reicht über bereits bestehende Ethylen-Leitungen bis nach Rotterdam.

Kontrolle rund um die Uhr

Für die Firmen bedeutet das mehr Flexibilität und mehr Wachstum. Ethylen-Produzenten wie der Raffineriebetreiber OMV in Burghausen (zwischen München und Passau) konnten das Gas bisher nur innerhalb des regionalen Verbundsystems zu den Abnehmern pumpen. Wegen der „Insellage“, pipeline-technisch gesprochen, konnten sie bei sinkender Nachfrage ihr überschüssiges Ethylen nicht anderswo verkaufen – und die Abnehmer einen erhöhten Bedarf auch nicht anderswo decken.

An der EPS beteiligen sich sieben Chemie-Unternehmen, darunter der BASF-Konzern, der Ethylen sowohl produziert als auch verarbeitet. Noch läuft die Pipeline auf Probe: „Wir schieben Gasmengen hin und her, um den Betrieb unter Realbedingungen zu testen“, erklärt der Projektleiter und Ingenieur Thomas Basten. Regelmäßig begeht, befährt und überfliegt man die Trasse. Übrigens erfasst alle 10 bis 20 Kilometer eine Mess-Station Temperatur und Druck und schickt die Daten an die Leitzentrale.

Wirtschaftlich und emissionsfrei

Passieren kann der Stahl-Röhre wenig, das haben Tests gezeigt: „Der TÜV rückte ihr mit einem 24-Tonnen-Bagger zu Leibe – vergeblich, das Metall ist extrem zäh und elastisch zugleich“, erklärt Basten. „Die Pipeline hält Temperaturen bis minus 40 Grad Celsius aus und das fast Dreifache des maximalen Betriebsdrucks.“ Der beträgt 100 Bar – das ist so, als drückte eine Last von 58 Tonnen auf die Stirnseite des Rohrs.

Ethylen lässt sich nur in Pipelines wirtschaftlich und emissionsfrei transportieren. „Es wird auf das 300-Fache seiner Masse komprimiert“, erklärt Basten. Das wäre für Transportmittel wie Kessel- und Tanklastwagen zu viel Druck.

Info

Die gut 200 Millionen Euro teure Ethylen-Pipeline Süd (EPS) ist ein Projekt der Chemie- und Petrochemie-Unternehmen BASF, Basell Polyolefine, OMV, Borealis Polymere, Clariant, Vinnolit und Wacker. Baubeginn war im September 2007.

Ethylen ist ein farbloses, schwach süßlich riechendes Gas. Daraus entstehen hauptsächlich Kunststoffe, vor allem Polyethylen, Polystyrol und Polyvinylchlorid (PVC). Sie stecken in Alltagsprodukten wie Verpackungen, Spielzeug, Schaumstoffen, PET-Flaschen und Haushaltsgeräten, aber auch in Arzneimitteln und zahlreichen Autoteilen. Petrochemie-Betriebe gewinnen das Gas im Wesentlichen aus Rohbenzin.