Die Zentrale der GELITA AG in Eberbach liegt direkt am Neckarufer. Zum Gebäude erstrecken sich schön bepflanzte Wiesen. Direkt davor ist ein kleiner Platz, den die Firma mitunter für besondere Anlässe nutzt. Als aktiv an einem sonnigen Sommernachmittag im Juli den Standort besucht, ist einer dieser besonderen Anlässe.
Effektives Mittel gegen den Fachkräftemangel
Zwölf Mitarbeitende des Unternehmens werden heute mit einer Feier geehrt. Sie haben erfolgreich eine Aufbauqualifizierung zum Maschinen- und Anlagenführer (alle Geschlechter) abgeschlossen.
Gekommen sind Vertreter des Unternehmens, der Bundesagentur für Arbeit (BA) Heidelberg, des Bildungswerks der Baden-Württembergischen Wirtschaft (BIWE) sowie der IHK Rhein-Neckar. Solche Prominenz ist nicht bei jeder Abschlussfeier dabei. Sie kommen, weil sie überzeugt sind, dass diese neue Art der Ausbildung den Fachkräftemangel im Land effektiv bekämpfen kann.
Keine finanziellen Einbußen für Mitarbeitende
„Es ist ein Meilenstein in der individuellen beruflichen Entwicklung jedes und jeder Einzelnen, der viele Türen öffnen kann“, sagt Stefan Metter-Kaller, HR-Manager für gewerblich-technische Aus- und Weiterbildung bei GELITA. Diese Maßnahme eröffnet die Perspektive, bald weitere Fachkräfte zu gewinnen.
Das neue Qualifizierungschancengesetz ermöglicht der BA, Beschäftigten die Teilnahme an dem Kurs und der Prüfung zu finanzieren. GELITA stellte die Mitarbeitenden für den Blockunterricht frei, zahlte aber ihr reguläres Gehalt weiter. Dadurch bekamen sie ihren Abschluss ohne finanzielle Einbußen. Und GELITA erhielt für den Arbeitsausfall von der BA einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt. Für die Schulungen, die im Betrieb stattfanden, sorgte als Partner der Maßnahme das Bildungswerk der baden-württembergischen Wirtschaft.
„Anstrengend, aber es hat sich gelohnt“
Eine der frisch qualifizierten Mitarbeiterinnen ist Bukurije Fetahaj. Die 34-jährige Eberbacherin arbeitet seit acht Jahren bei GELITA in der Produktion. Als gelernte Bürokraft kam sie als Quereinsteigerin in die Firma. Nun hat sie eine fachspezifische Ausbildung. „Das eröffnet mir definitiv mehr Möglichkeiten“, sagt sie.„Die Ausbildung war eine gute Erfahrung, und ich bereue es keineswegs, sie gemacht zu haben.“ Auch wenn es manchmal anstrengend gewesen sei, neben ihrem Job die Inhalte der Ausbildung zu lernen.
„Das ist erst der Anfang. Ich will mich noch weiterentwickeln“
Bukurije Fetahaj
Seit September 2023 fand der Blockunterricht in der Regel in einer Woche einmal im Monat statt. Nicht der Stoff bereitete ihr Schwierigkeiten, das Zeitmanagement war eine Herausforderung. Denn Fetahaj hat eine dreijährige Tochter und arbeitet nur halbtags. Die Schulungen gingen jedoch länger als ihr eigentlicher Arbeitstag. Dank der Unterstützung ihrer Familie habe sie es aber gut gemeistert. „Die Ausbildung ist für mich erst der Anfang“, betont Fetahaj. „Ich möchte mich definitiv noch weiterentwickeln. Eine Weiterbildung vielleicht. Mal sehen, wohin der Weg mich führt.“
Auch Dominik Lederer musste sich erst daran gewöhnen, nach zehn Jahren in der Produktion noch mal die Schulbank zu drücken. Er arbeitet bei GELITA als Springer und hilft aus, wenn jemand ausfällt – auch während seiner Schulungsphase. „Wenn ein hoher Krankenstand war, musste ich ein paar Mal den Unterricht ausfallen lassen und später nachholen“, erzählt er.
Nach dem Feierabend für die Prüfung zu lernen, wenn einen die 14-jährige Tochter auf Trab hält, war auch nicht immer leicht. Doch er betont, wie sehr der Ausbilder Bernd Mattern ihn und die Gruppe umfassend unterstützt hat.
Der 34-jährige Lederer hat bereits eine Ausbildung in Verpackungstechnik. Seine Vorgesetzten haben ihm aber die Qualifizierung nahelegt, um Expertise für den Lebensmittelbereich zu bekommen. Zudem verschafft ihm die Qualifikation neue Chancen im Betrieb: „Mein Fokus liegt auf der Digitalisierung“, erklärt er. Diese werde bei Maschinen immer wichtiger. Künftig werde er bei GELITA Mitarbeiterschulungen in Sachen Digitalisierung übernehmen. Für Weiterbildungen in dem Bereich bietet die Ausbildung nun eine ideale Grundlage.
Manche der Teilnehmenden hatten zuvor aus den unterschiedlichsten Gründen gar keine Ausbildung. Jetzt sind die Perspektiven groß. „Das war die beste Truppe in meinen 35 Jahren der Prüfungsvorbereitung”, sagt Ausbilder Bernd Mattern vom Bildungswerk stolz und meint es ehrlich. Das zeigten auch die guten Abschlussergebnisse aller. Erfahrung zahlt sich eben aus.
Das Unternehmen
Die GELITA-Gruppe ist einer der führenden Hersteller von Kollagenproteinen weltweit und mit mehr als 22 Standorten auf allen Kontinenten vertreten.
Kollagenproteine finden als Gelatine Verwendung in der Herstellung von Lebensmitteln, pharmazeutischen Produkten und technischen Anwendungen. Kollagenpeptide sind aktive Bestandteile bei der Herstellung von Produkten gegen Gelenk- und Knochenbeschwerden, zum Muskelaufbau und zur Gewichts- und Faltenreduktion.
Die Konzernverwaltung der GELITA-Gruppe befindet sich in Eberbach. Hier arbeiten 670 Beschäftigte.
Fabian Stetzler schreibt bei aktiv vor allem über die Chemie- und Pharma-Industrie. Er studierte Geschichte und Philosophie in Stuttgart und Berlin. Dann textete er für verschiedene Magazine und in London für Agenturen, bevor er beim Stuttgarter Stadtmagazin „LIFT“ volontierte. Nach Jahren dort als Redakteur war er freier Autor, etwa für die „Stuttgarter Zeitung“. Mit familiärem Hintergrund im Metallbau-Handwerk und einer DIY-Passion liebt er es, Theorie und Praxis zu verbinden.
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