Berlin/Duisburg. Gerade mal 12.363 reine Elektroautos rollten letztes Jahr neu auf deutsche Straßen. Jetzt sollen mehr Ladestationen und gezielte Marktanreize her. Noch 2016 wollen Politik und Hersteller die Absatzoffensive starten.

In China dagegen schießen die Verkäufe durch die Decke. Dort wurden nach Angaben des Autoindustrieverbands CAAM 2015 gut 320.000 „New Energy Vehicles“ (NEV) verkauft, also Fahrzeuge mit alternativen Antrieben. Davon waren drei Viertel reine Elektroautos. Für dieses Jahr erwartet der Verband 700.000 neu zugelassene NEVs – das wären, wenn ihr Anteil konstant bleibt, rund 525.000 reine E-Mobile. Die ersten zehn Plätze beim Absatz belegen heimische Hersteller; sie bieten immer mehr E-Modelle an.

Trotz schwieriger Wirtschaftslage handelt China beim Umweltschutz. Die Regierung fördert den Kauf, um die Luftverschmutzung in den Städten zu bekämpfen. Denn Dreck und häufiger Smog in den Megacitys machen der Führung Sorgen, berichtet Professor Markus Taube, Ostasien-­Experte der Universität Duisburg. „Wenn es etwas gibt, das zu Protesten in der Bevölkerung führen kann, dann ist es die Umweltverschmutzung.“ Jedes Jahr sterben 350.000 bis 500.000 Chinesen durch die verpestete Luft, sagen Experten.

Deshalb stehe die Umwelt hoch oben auf der Agenda der Politik, erklärt Ökonom Taube. „Auch wenn wegen der schwächelnden Wirtschaft jetzt erst mal die Konjunktur und die Jobs in den Vordergrund treten werden. Die große Linie bleibt.“

Und die heißt „Krieg gegen die Verschmutzung“ und den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid. Regierungschef Li Keqiang hat ihn 2014 ausgerufen. Noch im selben Jahr bekam die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ein verschärftes Umweltgesetz. Heute gibt es in 13 industriereichen Provinzen und neun Megacitys, die zwei Drittel der Wirtschaftsleistung erbringen, Programme zur Kohlekontrolle und Emissionsminderung.

Auf Kohleimporte sind nun Steuern fällig, über 1.000 Bergwerke wurden stillgelegt, alte Kohleblöcke durch neue, effizientere Kraftwerke mit Abgasreinigung ersetzt. Noch erzeugt Kohle 64 Prozent des Stroms, berichtet die Umweltorganisation Germanwatch.

Jährlich verbrennt China über drei Milliarden Tonnen Kohle. Zwar sank der Verbrauch trotz Wachstums in den letzten zwei Jahren, 2015 um mindestens 3,5 Prozent. Professor Martin Jänicke von der Freien Universität Berlin, früher Berater der Regierung in Peking, ist zuversichtlich: „China wird seinen maximalen Klimagas-Ausstoß klar vor 2030 erreichen.“ Auf dem Weltklimagipfel in Paris hatte das Land zugesagt, das bis spätestens zu diesem Termin zu schaffen. Auch andere Experten sind vorsichtig optimistisch. „Zudem baut China erneuerbare Energien rasant aus“, so Jänicke. 110 Milliarden Dollar wurden allein im letzten Jahr investiert.

Parteikarriere erfordert Umweltengagement

43 Gigawatt Nennleistung bei Solarenergie und 120 Gigawatt Windkraft stehen jetzt zu Buche. Jedoch braucht China für sein Klimaziel im Jahr 2030 die siebenfache Menge. Jänicke: „Das ist noch eine Riesen-Herausforderung.“

Immerhin hat Öko-Strom jetzt Vorrang in Chinas Netz. Bisher waren Windanlagen mitunter nicht mal angeschlossen. Diesen Schlendrian, den es auch bei der Abgas- und Abwasserreinigung gibt, will Ministerpräsident Li Keqiang beenden. Wer beim Umweltschutz nicht anpackt, kann seine Parteikarriere künftig vergessen.