Frankfurt. Die gute Nachricht zuerst: Die Zahl der Mitarbeiter in der Chemie-Branche in Deutschland ist im letzten Jahr gestiegen – um 0,5 Prozent auf 447.000. Doch mit Blick auf die wirtschaftliche Bilanz sowie die angespannte Situation weltweit spricht Marjin Dekkers, Präsident des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) in Frankfurt, von „nicht allzu viel Grund für Optimismus“.
Aber der Reihe nach. „Bei den Kennzahlen sehen wir Licht und Schatten“, beschreibt Dekkers die Lage. Insgesamt stieg die Produktion 2015 um 1 Prozent. Rechnet man die Pharmazeutika heraus, sank das Mengengeschäft sogar um 0,5 Prozent. Damit ist das Wachstum seit 2012 schwach geblieben. „Man kann hier nicht von einer positiven Dynamik sprechen“, stellt Dekkers klar. Zudem stagnierte der Umsatz 2015: Er lag mit insgesamt 190,8 Milliarden Euro auf dem Niveau des Vorjahrs. Ursache dafür sind sinkende Erzeugerpreise (minus 2,5 Prozent), die bereits seit vier Jahren fallen.
Das wiederum liegt am billigen Rohöl: Um ihre Kapazitäten auslasten zu können, haben die Erzeuger die niedrigen Rohstoffpreise an ihre Kunden weitergegeben, die also davon profitieren. Die Chemie-Firmen dagegen nehmen entsprechend weniger ein. Wie in den vergangenen Jahren schwächelte auch 2015 der Umsatz im Inland (minus 1,5 Prozent) und wurde nur durch Zuwächse im Ausland (plus 1 Prozent) aufgefangen.
„Für ein besseres Ergebnis fehlen durchgreifende Impulse von der Weltwirtschaft“, erklärt der Verbandspräsident. Ihn beunruhigen die Konjunkturflauten in Schwellenländern wie China und Brasilien – sie drücken das weltweite Wachstum.
Nach dem Internationalen Währungsfonds (IWF) hat auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihre Wirtschaftsprognose nach unten korrigiert: Sie erwartet für 2016 weltweit nur noch 3,3 Prozent Wirtschaftswachstum, das ist ein halber Prozentpunkt weniger, als noch im Juni vorausgesagt.
Zu viele Kapazitäten in Übersee trüben den Wachstumsausblick
Für die Gesamtwirtschaft in Deutschland rechnet die OECD mit einem Wachstum von 1,9 Prozent; der IWF sagt 1,6 Prozent. Dekkers ist skeptisch: „Die niedrigen Zinsen, der Euro-Kurs und der Ölpreis verschaffen der deutschen Wirtschaft derzeit Rückenwind.“ Aber man müsse damit rechnen, dass der Wind „auch mal wieder von vorne“ kommt.
Schon beobachten die Hersteller der Basischemie neuen Druck auf Preise und Produktion: Auf dem Weltmarkt zeichnen sich Überkapazitäten ab, Folge des massiven Aufbaus im Nahen Osten, in China und in den USA. Die Produktion in Deutschland musste 2015 gedrosselt werden. Auch bei konsumnahen Chemikalien wie Seifen, Wasch- und Reinigungsmitteln gab es einen Rückschritt. Unternehmer investieren zögerlich, auch in die Forschung fließt weniger Geld.
2016 bleibt das Geschäft laut VCI schwierig. Die Chemie-Produktion werde über alle Sparten gerechnet um 1,5 Prozent wachsen. Die Preise würden im Schnitt unverändert bleiben, sodass der Umsatz, dank des Auslandsgeschäfts, ebenfalls um 1,5 Prozent zulege – auf 194 Milliarden Euro.