Hanau. Seit über 100 Jahren entwickelt und produziert die Hanauer Vacuumschmelze magnetische Spezialwerkstoffe und macht daraus weiterveredelte Produkte, darunter die stärksten Magnete der Welt. AKTIV sprach mit Reiner Beutel, Geschäftsführer des Traditionsunternehmens, über weiteres Wachstum und den Ausbau der Innovationsführerschaft.
Was hat Sie daran gereizt, den Chefsessel bei der Vacuumschmelze zu übernehmen?
Der Eigentümer der Vacuumschmelze ist Apollo, einer der größten Finanzinvestoren der Welt mit Sitz in New York. Die Gelegenheit, für so ein Unternehmen zu arbeiten, bietet sich nicht alle Tage. Zudem ist die VAC mit einem Jahresumsatz von rund 400 Millionen Euro ein toller Betrieb mit technologisch hochinteressanten Produkten. Und er gilt, neben einem japanischen Global Player, als führend im Bereich magnetischer Spezialwerkstoffe. Der Einsatz unserer Produkte ist so umfangreich, dass jeder von uns sie tagtäglich benutzt, ohne es zu wissen. Sie sind in Uhren, in Autos, Flugzeugen oder medizinischen Geräten. Mit 4.500 Mitarbeitern weltweit, davon 1.450 in Hanau, bleibt es aber überschaubar, und man kann vieles selbst bewegen.
Was möchten Sie denn bewegen?
Ich will die VAC stärker machen und ihr Wachstum unterstützen. Allerdings müssen wir für mehr Ertrag sorgen, um das zu finanzieren. Wenn die Löhne hier jedes Jahr um 3 Prozent steigen und Kunden Preisnachlässe von 2 Prozent fordern, müssen wir mehr leisten, um das aufzufangen, und die Produktivität um 5 Prozent steigern. Das ist eine einfache Rechnung.
Klingt anstrengend, oder?
Ja, das ist anstrengend. Aber ob es uns passt oder nicht, wir sind im freien Wettbewerb, und da müssen wir unsere Kosten senken und innovativ sein. Wir bringen regelmäßig Innovationen auf den Markt. Aber wir müssen stärker sein.
Unterstützt Sie der Eigentümer Apollo dabei?
Ja. Allein 2018 investiert Apollo etwa 20 Millionen Euro in die verschiedenen Standorte der Vacuumschmelze. Wir haben pro Jahr ein Wachstum von etwa 10 Prozent, weil unsere Märkte wachsen. Will man da mithalten und die Technologieführerschaft behalten, muss man investieren. Neues entwickeln und zur Marktreife führen kostet richtig Geld.
Was sind für Sie pfiffige Produkte?
Die VAC ist fast überall dabei, wenn es um neue Technologien geht, um neue Werkstoffe und Legierungen. E-Mobilität oder induktive Lösungen sind für uns ein Riesenthema. Wir beliefern zum Beispiel alle Formel-1-Teams mit Statoren aus einer Kobalt-Eisen-Legierung. Die sind das Herzstück der Elektromotoren, die die Leistung der Boliden erhöhen. Mit unseren Werkstoffen wird man die nächste Generation Smartphones über eine Induktionsfläche schnurlos laden können. Wir rechnen mit 500 bis 1.000 Tonnen nanokristallinem Material, das wir dafür herstellen werden.
Welche Rolle spielt Digitalisierung?
Wir profitieren enorm davon, weil in allen modernen Produkten Materialien oder auch Bauteile von uns benötigt werden. Und natürlich hilft sie uns, die Produktivität in den Werken zu steigern. Nehmen Sie unsere alte Blockwalze in Hanau. Sie ist seit 1939 im Einsatz und dank supermoderner Steuerung bei Industrie 4.0 gut angekommen.
Was ist eine Herausforderung?
Die urdeutsche VAC zu einem globalen Unternehmen zu wandeln. Wir werden in Hanau immer ein starkes Standbein haben und auch wachsen. Aber auch an unseren Auslandsstandorten brauchen wir Entwicklungsabteilungen und Know-how. Schon bald erzielen wir die Hälfte unseres Umsatzes in China. Das gelingt nicht von allein.
Worüber können Sie sich richtig freuen?
Wenn wir in der kompletten VAC-Gruppe unsere Monatsziele erreichen. Und privat freue ich mich immer sehr auf meine Frau, die ich durch meinen Job leider oft nur an den Wochenenden sehen kann.
Zur Person

- 1959 geboren in Marbach am Neckar, verheiratet, 2 Kinder
- Studium der Wirtschaftswissenschaften in Stuttgart, Tübingen und Los Angeles
- Promotion zum Dr. rer. pol. an der Universität Tübingen
- Mehr als 25 Jahre Führungserfahrung in globalen Industrieunternehmen
- Seit 2017 Vorsitzender der Geschäftsführung der Vacuumschmelze, Hanau