Sinn. Seine Produkte hört man nicht nur zur Weihnachtszeit sehr weit, und er selbst ist ein Mensch, der klar und deutlich seine Meinung vertritt: AKTIV besuchte Fritz Georg Rincker, der mit seinem Bruder Hanns Martin das Familienunternehmen Rincker in der 13. Generation leitet. Europas älteste Glocken- und Kunstgießerei in Familienbesitz existiert nachweisbar seit 1590.
Was fasziniert Sie am Glockenguss?
Glocken gießt man, anders als Kunstgussteile, nicht jeden Tag. Es ist ein Prozess, der über viele Wochen vorbereitet wird. Die Form wird mühevoll nach alter Kunst aus Lehm gestaltet, in einer Grube aufgebaut und mit Erde bedeckt. Wenn schließlich die glühende Bronze in die Form fließt, ist das ein besonderer Moment. Nur in der Stille können wir hören und mit den Füßen spüren, ob sich die Form richtig füllt.
So stellten schon Ihre Vorfahren Glocken her?
Ja. Glocken von uns hängen in der Berliner Gedächtniskirche, im Hamburger Michel und neuerdings auch in China. Bis heute fertigen wir sie wie schon vor 1.000 Jahren nach dem Lehm-Schablonen-Verfahren. Die Berechnung der Schablonen zum Bau der Form bestimmt die Töne der Glocke und ist daher ein gut gehütetes Familiengeheimnis, das von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Was macht Sie so zuversichtlich, dass man Rincker noch braucht?
In unserer alten, rußgeschwärzten Gießerei entstehen wunderschöne Dinge, die man nicht zum Leben benötigt, die das Leben aber bereichern. Unsere Kunden wissen Kunst und Können zu schätzen und solche Menschen wird es hoffentlich immer geben. Daneben müssen Glocken und Kunstwerke aber auch gepflegt werden. Mein Großvater hat deshalb als Erster schon Wartungsarbeiten angeboten. Diesen Bereich bauen wir immer weiter aus. Aktuell haben wir mit 3.500 Kirchen einen Wartungsvertrag.
Wie wartet man eine Glocke?
Man wartet den kompletten Glockenstuhl, vom Klöppel und seiner Aufhängung bis zur elektronischen Steuerung, die im Übrigen heute auch schon per Handy-App funktioniert. Zudem haben wir die seit 1819 bestehende Hamburger Turmuhrenfirma W. Iversen, Dimier & Cie aus einer Insolvenz heraus übernommen, was unser Angebot perfekt ergänzt. Und wir bereiten immer öfter auch Bronze-Skulpturen und Modelle für Kommunen auf, weil viele gar nicht mehr wissen, wie man so etwas pflegt.
War klar, dass Ihr Sohn Christian als 14. Generation mit einsteigt?
Nein. Er hat, wie alle von uns, hier gejobbt und lernte so das Handwerk kennen. Als er sagte, „ich will auch Glockengießer werden“, war das eine schöne Überraschung für mich. Trotzdem wollte ich es ihm, ähnlich wie es mein Vater bei uns versucht hat, fast ausreden. Wir haben tolle Mitarbeiter, die mit Herzblut bei der Sache sind, aber die Herausforderung, so einen mittelständischen Betrieb in die Zukunft zu führen, ist bei allen Chancen dennoch groß.
Was ist das Hauptproblem?
Wohl eher Probleme! Steigende Kosten, insbesondere bei der Energie. Immer mehr Auflagen und Verordnungen, bei denen man kaum noch mitkommt. Und dazu der zunehmende Fachkräftemangel, den wir beim Thema Service-Mitarbeiter schon lange spüren, kombiniert mit dem Wunsch der IG-Metall nach mehr Geld und weiteren Arbeitszeitverkürzungen. Doch was ist das alles gegen die Herausforderungen unserer Vorfahren, die Seuchen, Kriege und Revolutionen überstanden haben?
Zur Person

- 1964 in Dillenburg geboren, verheiratet, vier Kinder
- Diplom-Kaufmann – Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Siegen
- 1989 Einstieg ins Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder Hanns Martin Rincker
- Vorstandsmitglied von Hessenmetall Mittelhessen
- Mitglied im Mitgliederrat von Hessenmetall