Erbach. Bosch Rexroth ist einer der führenden Hersteller für Antriebs- und Steuerungstechnologien mit mehr als 31.000 Mitarbeitern weltweit und gehört zu den Pionieren der Industrie 4.0. AKTIV sprach mit Claus Lau, Standortleiter des Werks Erbach im Odenwald, der mit ungewöhnlichen Ideen seinen Mitarbeitern die Ängste vor der fortschreitenden Digitalisierung nimmt und nicht nur bei Bosch inzwischen als der „Nähmaschinen-Mann“ bekannt ist.
Warum nennt man Sie den „Nähmaschinen-Mann?
Industrie 4.0, also die Digitalisierung der Produktion, ist ganz einfach, und das wollte ich meinen knapp 500 Mitarbeitern hier anschaulich erklären. Denn nur wenn man versteht, was da passiert, ist Akzeptanz möglich. Wir gehören zu Bosch, einem der größten Sensorhersteller der Welt. Und genau diese Sensoren machen „I 4.0“ erst möglich. Mit ihnen kann man jedes Gerät in eine smarte Maschine verwandeln, auch eine alte Nähmaschine. Vor gut zwei Jahren statteten zwei Mitarbeiter so ein Schätzchen dann mit Sensoren aus, die penibel erfassen, wann eine Nadel zu vibrieren beginnt, ehe sie bricht, oder der Antriebsriemen an Spannung verliert und von der Welle springt. Die gewonnenen Daten sind anschaulich auf einem Display zu sehen.
Und das haben Sie allen gezeigt?
Ganz genau. Anfangs wurde die Nähmaschine kritisch beäugt, aber das hielt nicht lange an. Sie zeigt einfach eindrucksvoll, welchen Nutzen man durch die Erfassung solcher Daten hat. Man kann reagieren, ehe die Nadel bricht oder der Riemen abspringt. Das begreift jeder sofort. Solche digitalen Helferlein haben wir in der gesamten Produktion.
Was sind das für Helfer?
Wir haben eine Reihe von I 4.0-Werkzeugen, die wir hier einsetzen und testen, weiterentwickeln und dann auch Kunden anbieten. Zu unseren Assistenten gehören Arbeitshinweise, die direkt ins Werkstück projiziert werden genauso wie 3-D-Animationen, die jeden Arbeitsschritt, wie einen kleinen Film, anzeigen. Das hausinterne MES-System merkt zum Beispiel, ob der richtige Schrauber verwendet wird, der richtige Bit, das richtige Bauteil. Die Technik registriert Fehler und wertet sie im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses aus.
Warum ist das so wichtig?
Wir sind in Erbach hoch spezialisiert auf Kleinserienfertigung und bauen unzählige verschiedene Varianten. Wir brauchen I 4.0, um die daraus folgende Komplexität zu beherrschen. Die gewonnenen Daten nutzen wir, um Prozesse zu verbessern. Probleme wurden auch früher erfasst, aber durch die digitale Datenerhebung merke ich viel früher, wo genau es klemmt, und kann sofort gezielter unterstützen – egal ob es um zusätzliche Schulungen oder den Ersatz irgendwelcher Bauteile geht.
Und die Mitarbeiter akzeptieren diese gläserne Produktion?
Ja. Wir haben uns gemeinsam mit dem Betriebsrat sehr viel Mühe gegeben und alles in Betriebsvereinbarungen geregelt. Auch, wer Zugriff auf welche Daten hat. Zudem ist es selbstverständlich, dass es daraus keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen geben darf. Wir gehen hier offen miteinander um, reden miteinander, nicht nur, wenn es Probleme gibt. Wir klären auf und setzen auf intensive Weiterbildung. All das kommt gut an.
Wo sehen Sie aktuell die nächste Herausforderung?
Wir müssen unserem weltweit angesehenen Maschinenbau endlich den Geist des Silicon Valley einhauchen. Hierzulande herrscht ja oft der Gedanke vor, nur Hardware verkaufen zu können. Google, Amazon und Co. machen es jedoch vor: Man muss Digitalisierung als große Chance begreifen und nicht nur die Risiken sehen. Es liegt an uns, welchen Blickwinkel wir wählen.
Zur Person

- Geboren 1961 in Mainz, verheiratet, zwei Kinder und ein Enkelkind
- Diplomingenieur für Elektrotechnik
- Seit 1995 bei Bosch in verschiedenen Funktionen tätig, unter anderem als Werkleiter in England
- Seit 2016 Standortleiter in Erbach im Odenwald
- Seit 2018 Vorsitzender der Hessenmetall-Bezirksgruppe Darmstadt und Südhessen