Der Mann, der jetzt die Bürokratie in Deutschland herzhaft niederkämpfen soll, tut das nicht des Geldes wegen. Im Gegenteil! Karsten Wildberger (55) verzichtet für seinen neuen Job als Staatsdiener auf viele Millionen Euro.

Zuletzt war der international erfahrene Top-Manager Chef der Ceconomy AG, zu der Mediamarkt und Saturn gehören und die europaweit fast 50.000 Menschen beschäftigt. Nun aber ist der promovierte Physiker Wildberger der erste Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung; im Mai ist er in die CDU eingetreten. Er verdient also jetzt viel weniger, er hat viel weniger Untergebene – aber er ist für Deutschland viel wichtiger als bisher.

Bürokratie einhegen: Viele Berichts- und Meldepflichten werden jetzt schnell wegfallen

Denn zu Wildbergers neuen Aufgaben gehört es vor allem, das größte Problem der deutschen Unternehmen wegzuhauen: die überbordende Bürokratie! Zahlreiche Umfragen unter Betrieben haben die zunehmende und oft unnötige Gängelung der Wirtschaft detailliert belegt: zuletzt zum Beispiel das Zukunftspanel des Instituts der deutschen Wirtschaft und eine Allensbach-Umfrage für den Arbeitgeberverband Niedersachsenmetall.

„Die Belastung durch Bürokratie wird von Wirtschaftsverbänden als wichtigste Wachstumsbremse in Deutschland gesehen.“

Ein Gutachten des Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium, das noch kurz vor dem Abgang der Ampel-Regierung veröffentlicht wurde, macht die Misere in einem Satz klar: „Die Belastung durch Bürokratie wird von Wirtschaftsverbänden und internationalen Organisationen als wichtigste Wachstumsbremse in Deutschland gesehen, noch vor den im internationalen Vergleich hohen Steuern, Sozialabgaben und Energiekosten.“ Dieses Gutachten mit dem vielsagenden Titel „Bürokratieabbau und ergebnisorientiertes Verwaltungshandeln“ steht zum kostenlosen Download im Web.

In seiner ersten Regierungserklärung kündigte Bundeskanzler Friedrich Merz denn auch entschlossene Abhilfe an. „Wir brauchen vor allem einen beherzten Rückbau der überbordenden Bürokratie“, sagte er, „und dazu brauchen wir vor allem ein neues Denken in unseren Köpfen.“ Dann kündigte Merz an: „Wir werden die unzähligen Dokumentations-, Berichts- und Meldepflichten schnell und spürbar reduzieren.“ Auch EU-weit gesehen will Merz das Wirtschaften leichter machen: „Wir drängen auch auf mutigen Rückbau der Bürokratie in Brüssel, auf weniger Berichtspflichten und auf weniger Vorschriften von dort.“

Bürokratie bekämpfen: Der Koalitionsvertrag verspricht ein Sofortprogramm für den Mittelstand

Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD gibt das her – und noch eine ganze Menge mehr! Sein Grundton: Die behördliche Denke muss sich drehen, in Richtung „Vertrauen statt Kontrolle“. Unter anderem heißt es mit Blick auf den Mittelstand: „Im Rahmen eines nationalen ,Sofortprogramms für den Bürokratierückbau“ werden wir bis Ende des Jahres 2025 Verpflichtungen zur Bestellung von Betriebsbeauftragten abschaffen und den Schulungs-, Weiterbildungs- und Dokumentationsaufwand signifikant reduzieren.“

Und geradezu revolutionär klingen drei weitere Vorhaben der neuen Regierung, deren Realisierung dann wohl noch etwas dauern dürfte. Erstens: „Verwaltungsleistungen sollen unkompliziert digital über eine zentrale Plattform (,One-Stop-Shop‘) ermöglicht werden, das heißt ohne Behördengang oder Schriftform.“ Dafür soll jede Bürgerin und jeder Bürger „ein Bürgerkonto und eine digitale Identität“ erhalten. Zweitens: Unternehmensgründungen sollen „innerhalb von 24 Stunden“ klappen (die Digitalisierung der Verwaltung ist dafür natürlich eine Voraussetzung).

Bürokratie verschlanken: Der Staat soll nötige Daten nur noch ein einziges Mal erheben

Drittens: „Für uns gilt der ,Once-only‘-Grundsatz“, heißt es im Koalitionsvertrag, „Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen sollen ihre Daten gegenüber dem Staat nur einmal angeben müssen.“ Dafür soll sogar ein „Doppelerhebungsverbot“ kommen.

Auf der jungen Website von Wildbergers neuem Digitalministerium ist schon zu lesen, was „once only“ uns allen bringen würde: „Der interne Datenaustausch erfolgt innerhalb der Verwaltung. Das entlastet die Gesellschaft und steigert die Effizienz staatlichen Handelns.“

Unser Staatswesen endlich einfacher machen, digitaler machen, schneller machen – Karsten Wildberger hat jetzt einen der wichtigsten Jobs im Lande. aktiv wünscht ihm gutes Gelingen!

Das deutsche Lieferkettengesetz wird wieder abgeschafft

Eine Maßnahme, die der Wirtschaft sofort hilft, könnte tatsächlich schnell kommen: Das deutsche Lieferkettengesetz wird laut Koalitionsvertrag abgeschafft. Der offizielle Titel dieses Paragrafenwerks ist „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten“. Es gilt seit 2023 für größere Unternehmen und seit 2024 auch für alle Firmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten.

Schon Ende Januar 2024 stellte der Industriedachverband BDI dann auf Basis einer Umfrage fest: „Der enorme bürokratische Aufwand, den das Gesetz erzeugt, bringt viele Betriebe, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, an den Rand der Verzweiflung.“ aktiv hat diesen Bürokratie-Booster denn auch von Anfang an kritisiert, auch mit einigen Beispielen etwa aus der Textil-Industrie.

Ersatzlos wegfallen soll das nationale Gesetz allerdings nicht: An seine Stelle treten soll laut Koalitionsvertrag „ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung, das die Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) bürokratiearm und vollzugsfreundlich umsetzt“. Für diese CSDDD-Umsetzung haben die Mitgliedsstaaten noch bis Sommer 2026 Zeit.

Wobei auch die EU inzwischen den Schuss gehört hat – und ihre eigene, ebenfalls enorm bürokratische Lieferkettenrichtlinie entschlacken will. Außerdem sollen die Vorschriften erst später und für weniger Unternehmen greifen als früher geplant. Ebenfalls vereinfacht werden sollen die EU-Regeln für die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen (CSRD). Ein sogenanntes Omnibus-Paket, das präzise Verbesserungsvorschläge für beide Richtlinien enthält, hat die EU-Kommission Ende Februar auf den Weg gebracht.

Thomas Hofinger
Chef vom Dienst aktiv

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

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